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SPRACHE/671: Vierter Band des Badischen Wörterbuchs erschienen (Freiburger Uni-Magazin)


Freiburger Uni-Magazin - 5/Oktober 2009

"Äs isch halt ä Mähre"
Der vierte Band des Badischen Wörterbuchs ist erschienen

Von Stefanie Fehn


Ende des 20. Jahrhunderts haben Wissenschaftler der Universität Freiburg das Badische Wörterbuch begründet. Das Ziel? Den regionalen Wortschatz zu dokumentieren. Erschienen sind bis heute vier Bände des Großraum-Dialektwörterbuchs, die das badische Weltbild, dessen Zeitgeschichte und Sprachkultur belegen.


Bereits 1907 erschien das Elsässische Wörterbuch. Baden hingegen war ein Nachzügler. Erst Ende des 19. Jahrhunderts, als drei Freiburger Professoren die Befragung zur "Volksüberlieferung in Baden" zu dialektalen Ausdrücken und Volksreimen durchführten, wurde mit der Arbeit begonnen. Um ihre Ergebnisse zu vervollständigen befragten sie badische Studenten zu ihrem dorfeigenen Dialekt und sammelten aus verschiedenen Quellen Mundartmaterial des Arbeitsgebiets, das das damalige Großherzogtum Baden umfasste. Mit dem Untersuchungsmaterial erstellte der aus Ettenheim stammende Ernst Ochs den ersten alphabetischen Band des Badischen Wörterbuchs. Er wurde 1942 abgeschlossen und enthielt die Buchstaben A, B/P, D/T und E. 1972 folgte der zweite Band, der dritte erschien 1997. "Aufgrund der Fülle an Material, das bis in die jeweilige Publikationszeit reicht, beläuft sich der Bearbeitungszeitraum auf mehrere Jahrzehnte", erklärt der Germanist Dr. Rudolf Post, Bearbeiter des vierten Bandes des Badischen und des Pfälzischen Wörterbuchs. Der vierte Band erschien unter Mitarbeit von Friedel Scheer-Nahor im Juli 2009. Er umfasst die Buchstaben N, O, Q, R, Sa und Schw. Den fünften wird der Freiburger Germanist Tobias Streck bearbeiten. Im Wörterbuch sind sowohl standardsprachliche, dem so genannten "Hochdeutsch" entsprechende, als auch dialektale Wörter enthalten. Zudem werden teilweise Flur-, Personen- und Ortsnamen aufgeführt. Neben den Stichwörtern wird oft anhand eines Beispielsatzes illustriert, welche Bedeutung die jeweiligen Varianten haben und wo sie benutzt wurden oder werden. "Falls möglich habe ich die Etymologie, also den Ursprung des Wortes, beschrieben", erklärt Post.


Von Mähren und Säufern

"Bei der Dokumentation fällt auf, dass im Badischen viele Schimpfwörter für Frauen existieren, die mit Geschwätzigkeit verbunden sind. Zudem werden oftmals Tierbezeichnungen verwendet", sagt der Wissenschaftler. So ist mit "Luder" ursprünglich ein totes Tier gemeint. Das Wort "Mähre" bezeichnet eigentlich eine Stute oder ein klappriges Pferd. Für Männer hingegen werden oft "Säufer-Schimpfwörter" benutzt. Die gesammelten Mundarten umfassen ein Arbeitsgebiet von circa 1.700 Orten "wobei es schwierig ist, bei einer dialektalen Variante exakte räumliche Grenzen zu ziehen", sagt Post. "Die Mundart unterscheidet sich nämlich oft von Ort zu Ort." Manchmal gibt es Überschneidungen mit anderen Dialektwörterbüchern. So ragt das badische Arbeitsgebiet im Südosten mit einem Zipfel in den schwäbischen Mundartraum. Das liegt unter anderem daran, dass zur Begrenzung des Arbeitsgebiets aus Finanzierungsgründen politische Gegebenheiten herangezogen wurden und das Buch somit den politischen Begriff "badisch" trägt. "Dabei handelt es sich bei den bearbeiteten Mundarten eigentlich um Fränkisch und Alemannisch", erläutert der Sprachforscher. Die alemannischen Varianten werden heute auch noch im Elsass, am Vorarlberg und in der deutschsprachigen Schweiz gesprochen. Ab Karlsruhe ist bereits eine Variante des fränkischen Dialekts verbreitet. Das Schwäbische hat an Einfluss gewonnen: "Es nimmt im Bodenseeraum zu und hat aufgrund der wirtschaftlichen Stärke mehr Prestige als das Alemannische", erklärt Post. Das Badische beinhaltet neben dem alemannischen und fränkischen Sprachgut drei sprachliche Haupteinflüsse: Das Französische, wie zum Beispiel das Wort "commod" für bequem belegt. Aus dem Hebräischen wurde unter anderem "Kelef" für den Hund übernommen sowie aus dem Vulgärlateinischen "Cerisia", die im Badischen als Kriese, im Hochdeutschen als Kirsche, bekannt ist.


Mut zur Mundart

Bei den Dialekten im Badischen besteht die Tendenz, dass kleinräumige Dialekte zugunsten von Großraumdialekten aufgegeben werden. "Grund dafür sind die neuen Kommunikationsmöglichkeiten und die räumliche Mobilität. Dies führt zum Ausgleich, aber nicht zum Aussterben der Mundarten", erläutert der Forscher. In Südbaden sind die Dialekte noch relativ stabil. Zwar wird im Raum Freiburg kaum das ausgeprägte Alemannisch gesprochen, am Kaiserstuhl hingegen sind die Dialekte noch sehr verbreitet und differenziert. Zusätzlich haben in Südbaden anerkannte Dichter wie Johann Peter Hebel dazu beigetragen, das Prestige des Alemannischen anzuheben. Darüber hinaus kümmert sich die Muettersproch-Gesellschaft um mehr Akzeptanz der Mundart. "Das Problem beim badischen Dialekt ist das Eigenbild des Sprechers, der oft mit Minderwertigkeitsgefühlen zu kämpfen hat", erklärt Post. Der Dialekt wurde in der Vergangenheit von Bildungsinstitutionen oftmals abgewertet und als falsch deklariert. "Ziel ist heute, dass der Sprecher die eigene Mundart lernt, aber auch ein gutes Standarddeutsch beherrscht und in die verschiedenen Varianten 'switchen' kann. Das ist eine kulturelle Bereicherung in jeder Hinsicht, die wir in Zukunft fördern sollten."


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Quelle:
Freiburger Uni-Magazin Nr. 5/Oktober 2009, Seite 13
Herausgeber: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
der Rektor, Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer
Redaktion: Eva Opitz (verantwortlich)
Kommunikation und Presse
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2009