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SPRACHE/486: Von "Marxwalde" zu "Neuhardenberg" (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 7-9/2007

Von "Marxwalde" zu "Neuhardenberg"
Namen in Brandenburg erzählen vom Wandel der Zeiten

Von Elisabeth Berner, Institut für Germanistik


Als Theodor Fontane durch die märkischen Lande fuhr, um für seine "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" zu recherchieren, hörte er noch überall die alten Dialekte und benutzte sie gern, um seinen Figuren sprachlich ein Lokalkolorit zu geben. Nicht nur die heilkundige Buschen, die der kranke, alte Dubslav von Stechlin zu sich ruft, steht dafür als beredtes Beispiel. Doch die Sprache hat sich inzwischen weiter entwickelt.


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Heute müsste Fontane lange suchen, um noch Sprecherinnen oder Sprecher der im Mittelalter entstandenen märkischen Dialekte zu finden, und selbst diejenigen, die sie heute etwa in der Uckermark, in der Prignitz oder im Fläming noch sprechen, pflegen ihre Mundart vor allem privat oder in kulturellen Vereinigungen. Spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts hat von der Metropole ausgehend unaufhaltsam das Berlinische seinen Siegeszug als Umgangssprache angetreten und wird heute von vielen schon als "Dialekt" verstanden, was ja in diesem Falle nichts anderes bedeutet als die im Elternhaus erworbene regionale Sprache des Alltags.

Aber nicht nur in die Dialekte, auch in zahlreiche Namen, von den Landschafts-, Fluss-, Orts- und Familiennamen über viele weitere bis hin zu den Namen brandenburgischer Institutionen, ist Geschichte eingeschrieben.

Schon die ältesten uns sprachlich greifbaren Germanen haben in der "Havel", der "Spree" oder der "Dosse" ihre Spuren hinterlassen. Ein Teil der einwandernden Slawen übernahmen sogar einige dieser Bezeichnungen und nannten sich in ihrer neuen Heimat nach den Siedlungsplätzen Heveller und Sprewanen; die Lausitz ist nach dem slawischen Stamm der Lusitzer benannt. Einige der frühen slawischen Siedlungen wie Berlin und Potsdam entwickelten sich später zu Residenzstädten, andere, darunter Golm weisen heute ein sich davon abhebendes Antlitz auf.

Der Ostexpansion folgte die Ostkolonisation und mit ihr brachten vor allem die (späteren) Niederländer neue Benennungen, wie "Fläming", "Finken" und "Häsewik" (Namensübertragungen) oder auch Flurnamen nahe Potsdam, wie "Upstall" und "Moosfenn" bezeugen. Aber auch die Einwanderer der westlich der Elbe gelegenen Gebiete entwickelten eine rege Siedlungstätigkeit und schufen Orte wie Lütkendorf, Sachsendorf, Buchwalde, Blumenthal, Arendsee, Birkenwerder, Schönheide, Bergholz; Namen wie Holzhausen, Kaakstedt oder Feldheim sind wohl aus der alten Heimat mitgebracht. Dass Zeiten des Neuaufbruchs nicht unbedingt den erwarteten Aufschwung oder die Erfüllung verschiedenster Sehnsüchte bringen, machen noch heute Namen wie "Altsorgefeld" oder das offensichtlich nie erreichte Reiseziel "Philadelphia" deutlich. Auf religiöse Motive verweisen "Pfaffendorf", "München", "Mönchwinkel" oder das weltweit bekannte "Himmelpfort".

Im 17. Jahrhundert führte die Einwanderung der Hugenotten zu "Französisch-Buchholz", "Vevais" und "Beauregard", und mit der handwerklichen Spezialisierung verbunden sind "Glashütte", "Bruchmühle" oder "Kalkofen".

Verstärkt seit dieser Zeit beginnen die (adligen) Besitzer, später die Regierungen, Orten ihre Namen (auch die ihrer Frauen) aufzuprägen oder ideologisch passende Namensrepräsentanten zu wählen: "Friderikendorf', "Oranienburg", "Friedrichsthal", "Charlottenburg", "Fürstlich Drehna", "Wilhelmsdorf", "Königs-Wusterhausen", "Marxwalde", "Stalinstadt". Dass gerade solche Namen zu Zeiten der DDR wieder weichen mussten - so wird "Fürstlich Drehna" wieder zu "Drehna", "Königshorst" zu "Friedenshorst", "Adlig Dubrau" zu "Dubrau", aber auch "Marxwalde" zu "Neuhardenberg" - macht deutlich, wie sehr Namen Teil des kulturellen Gedächtnisses und als solche auch Spiegelbild sich wandelnder Verhältnisse sind. Dass übrigens viele slavische Ortsnamen in der Zeit des Nationalsozialismus umbenannt wurden [sic!], "Stalinstadt" schon 1961 zu "Eisenhüttenstadt", "Fürstlich Drehna" nach 1990 erneut zu "Drehna", "Marxwalde" wieder zu "Neuhardenberg", "Friedenshorst" zu "Königshorst" oder "Wilhelm-Pieck-Stadt Guben" wieder zu "Guben" mutierten, sei nicht nur am Rande erwähnt.

Dr. Elisabeth Berner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Geschichte der deutschen Sprache der Universität Potsdam.


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 7-9/2007,
Juli-September 2007, Seite 23
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2007