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BERICHT/038: Literarisch-musikalischer Abend zum Symposium "First Nations" (JOGU Uni Mainz)


[JOGU] Nr. 207, Januar 2009
Das Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Die Schönheit der menschlichen Sprache
Von den indigenen Völkern Kanadas

Von Peter Thomas


Zum Auftakt des Symposiums "First Nations" waren die kanadisch-indianischen Künstler Tomson Highway und Drew Hayden Taylor zu Gast des Zentrums für Interkulturelle Studien (ZIS). Der literarisch-musikalische Abend vertiefte das Thema der Fachvorträge am darauffolgenden Tag.

Was hat Johann Sebastian Bach mit dem kulturellen Selbstverständnis eines Musikers des kanadischen Cree-Volkes zu tun? Für den Schriftsteller und Musiker Tomson Highway gibt es eine ganze Menge von Querverbindungen. Denn den Thomaskantor Bach nennt Highway augenzwinkernd - ebenso wie Schubert - als wichtiges Vorbild für seine eigene Musik. Einen bunten Querschnitt aus seinen Chansons und Liedern stellte der Künstler im Wintersemester zusammen mit der Sängerin Patricia Cano und dem Saxophonisten Peter Ehwald auf Einladung des Zentrums für Interkulturelle Studien (ZIS) an der Johannes Gutenberg-Universität vor.

An demselben Abend, mit dem das Symposium "First Nations" eröffnet wurde, trat auch der Schriftsteller Drew Hayden Taylor auf. Damit waren die beiden bekanntesten zeitgenössischen kanadisch-indianischen Autoren zu Gast an der Mainzer Hochschule. Sie gaben einen Einblick in die kanadisch-indianische Kultur - "eine der faszinierendsten kulturellen Ausdrucksformen Nordamerikas", wie ZIS-Sprecher Professor Dr. Anton Escher betonte. Dass die Auseinandersetzung mit Begriff und Kontext der "First Nations" nicht leicht ist, machte Hayden Taylor auf spielerisch-satirische Weise deutlich: Der 1962 geborene Autor, von dem in den letzten Jahren der Vampirroman "The Night Wanderer: A Native Gothic Novel" und die Satire "Berlin Blues" erschienen sind, spiegelte die sentimentale Außen- wie Binnensicht auf das Leben der indianischen Völker Kanadas mit ironisch gebrochenen Szenen wider.

Das Spiel mit den Perspektiven, das kunstvolle Verweben von Realität und Fiktion prägte anschließend den Auftritt von Tomson Highway: Patricia Cano trug mit einer soulsatten, kraftvollen Stimme eine Auswahl von Stücken aus Highways Musicals vor, vor allem aus seinem jüngsten Werk "Rose". Das waren Songs mit großer Intensität von Musik und Text, die bei allen farbenfrohen Szenen das Leben der kanadisch-indianischen "First Nations" spiegeln: Hier die Casinoeröffnung mit Elvis-Imitator als Grundlage eines modernen Wirtschaftsbetriebs. Dort der Kampf der alten Rose, Vorsitzende der Reservation, um den Erhalt der Traditionen ihres Volkes.

Der philosophisch tiefen Betrachtung solcher Phänomene ließ Tomson Highway bei dem Auftritt im Hermann-Staudinger-Saal des Max-Planck-Institutes für Polymerforschung jedoch keinen Raum: Zwischen Klavier und Mikrophon wechselnd, gab er den Takt des gemeinsamen Programms mit der kanadischen Sängerin und dem deutschen Saxophonisten vor. Anekdoten, Gags und Bonmots kreisten dabei immer wieder um die Schönheit der menschlichen Sprache in ihrer ganzen Vielfalt. Musikalisch griff Patricia Cano dieses Motiv unter anderem mit einem Chanson auf, der zwischen Französisch und anderen Sprachen wechselte. Was jedoch die allerschönste Sprache der Welt ist, daran ließ Tomson Highway keinen Zweifel: "Cree is the most beautiful language of the world", betonte der Künstler - gleich danach komme jedoch auch schon Deutsch. Auf den gut besuchten musikalisch-literarischen Abend im großen Saal des MPI folgte am zweiten Tag des Symposiums eine Reihe von Vorträgen. Deren Schwerpunkte und Blickrichtungen erwiesen sich als ähnlich vielfältig wie das Programm der beiden kanadisch-indianischen Künstler: Professor Dr. Stephen Muecke, Direktor des "Transforming Cultures Reserach Centre" aus Sydney, weitete die Perspektive des Blicks auf den Naturbegriff indigener Kulturen. Die Journalistin Dr. Margit Klingler-Clavijo betrachtete unter dem Titel "Der Blumenkrieg" indigene Lyrik aus Mexiko. Dr. Kerstin Vogel (Universität Mainz) lotete in ihrem Vortrag "Challenging the Constitution: On Native American Representation in the Early 19th Century" die politikhistorische Dimension indigener Kultur aus. Mit Kosmologien nordamerikanischer indigener Völker setzte sich Dr. Birgit Däwes (Universität Würzburg) in ihrem Beitrag "The Globe of the World as it Floats in Space" auseinander. Und Professor Dr. Helmbrecht Breinig (Universität Erlangen-Nürnberg) betrachtete schließlich das Thema "Evil in Native North American Literature".

Das Symposium "First Nations" stand in einer Tradition ähnlicher ZIS-Veranstaltungen der vergangenen Jahre. Das vor 11 Jahren gegründete Zentrum, an dem rund 100 Wissenschaftler aus Geistes- und Sozialwissenschaften mitarbeiten, ist in der Vielfalt seiner Themen einmalig in der deutschen Interkulturalitätsforschung.


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Quelle:
[JOGU] - Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Nr. 207, Januar 2009, Seite 26
Herausgeber: Der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch
Tel.: 06131/39-223 69, -205 93; Fax: 06131/39-241 39
E-Mail: AnetteSpohn@verwaltung.uni-mainz.de

Die Zeitschrift erscheint viermal im Jahr.
Sie wird kostenlos an Studierende und Angehörige
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Mainz e.V." verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2009