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STECKBRIEF/031: Judge Dredd - "I am the Law" (SB)


Judge Dredd

"I am the Law"


Als traurige Hinterlassenschaft eines durchgeknallten US-Präsidenten namens Booth, der Anno 2070 mittels Knopfdruck große Teile der USA, des russischen Imperiums, Europas und weitere riesige Flächen zerstörte, ist zu Beginn des 22. Jahrhunderts der überwiegende Teil der Erde verwüstet. Die radioaktiv verseuchte Einöde bietet nur noch Lebensraum für Außenseiter, Ausgestoßene, Monster und Mutanten, die der erhöhten radioaktiven Strahlung entsprungen sind. Sie bevölkern dieses Niemandsland, das nicht ohne Grund die "Verfluchte Welt" oder das "Verdammte Land" genannt wird.

Die postapokalyptische Menschheit sah sich gezwungen, sich in den wenigen übriggebliebenen Ballungsgebieten zusammenzudrängen, den sogenannten Mega-Cities. So entwickelte sich etwa entlang der Ostküste der ehemaligen Vereinigten Staaten Mega-City One, mit dem Kern New York, jetzt nur noch Old City genannt und der Einfachheit halber zubetoniert, um Platz für die riesigen, neuen Wohnblöcke zu schaffen. Da die eingeschränkten Versorgungsmöglickeiten im 22. Jahrhundert dazu zwingen, mit den verbliebenen Ressourcen sparsam umzugehen, wird der gesamte Abfall der Stadt in einem gigantischen Recycling-Komplex namens Resyk gesammelt - auf diese Art und Weise kann man sich sogar die Friedhöfe sparen ...

Vor diesem Hintergrund treten die Judges auf den Plan, deren Aufgabe es ist, den permanenten Ausnahmezustand unter Kontrolle zu halten. Sie wurden von der Militärmiliz, den sogenannten City-Chefs eingesetzt, die die ständig wachsende Kriminalität nicht in den Griff bekam. Jugdes sind ultimative Polizisten, die Exekutive und Judikative in sich vereinen. Anfangs gelang es ihnen, die Zustände zu verbessern, doch der Mob gewann immer wieder die Oberhand und meuchelte mehr Judges, als neue ausgebildet werden konnten. Das "Council of Five", der Oberste Rat der Judges in Mega-City One, beschloß daraufhin, Judges zu klonen. Aus den Genen der fünf besten Gesetzeshüter wurden zwei Judges gezüchtet: Joseph Dredd und sein Zwillingsbruder Rico. Dieser drehte jedoch durch und wurde in eine Strafkolonie verfachtet. Übrig blieb Judge Dredd, der seither mit unermüdlichem Eifer die Stadt von allem Übel reinigt. Dredd ist nahezu unbesiegbar. Er hat 15 Jahre lang die Akademie der Rechte, die härteste Schule der Welt, besucht und gilt als einer ihrer herausragendsten Vertreter. Tag und Nacht ist er mit seinem computergesteuerten, flugfähigen Motorrad "Lawmaster" unterwegs, seine Multifunktionswaffe "Lawgiver" als stärkstes Argument in jedem Rechtsstreit stets bereit.


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Judge Dredd wurde von Zeichner Carlos Esquerra und Texter John Wagner erfunden, die sich bei ihrem anfangs recht eindimensionalen Helden an Clint Eastwoods Charakter "Dirty Harry" orientierten. Die Serie, die Ezquerra und Wagner ausdrücklich nicht bierernst verstanden wissen wollten, erschien erstmals am 5.3.1977 in dem britischen Comic-Magazin 2000 AD.

Wie sich Brian Bolland, der zu jener Zeit für 2000 AD arbeitete, erinnert, begann es "mit der Idee, daß Judge Dredd wie ein Roboter handeln sollte." Anfangs gibt es eine Folge, in der Judge Dredd einen Verkehrssünder stoppt, indem er ihn erschießt. Und weil er eine heldenhafte Figur ist, steht einer seiner Verehrer am Straßenrand und ruft ihm zu: 'Prima, Judge Dredd, so muß man es machen!' In seiner Aufregung tritt dieser Kerl auf die Straße, worauf sich Judge Dredd umdreht und zu ihm sagt: 'Sie passen im Straßenverkehr nicht genügend auf' und ihn ebenfalls erschießt. Ein derartiger Kerl war Judge Dredd anfangs. Sein eigentlicher Charakter wurde erst viel später deutlich." (Zitiert aus: Das große Comic-Lexikon, Lexikon Imprint Verlag 2001.)

Judge Dredd entwickelte sich bald zum erfolgreichsten Comic-Helden von 2000 AD und wurde in seinem Heimatland Großbritannien zur Kultfigur. Markante Aussprüche wie "Grud" oder "I am the Law" fanden Eingang in die Alltagswelt. Gegen Ende der 80er Jahre schaffte Dredd den Sprung nach Amerika. Nachdem die Serie zuerst bei Eagle Comics verlegt wurde, setzte DC die Reihe 1994 fort und ließ den Polizistenklon in den Comics "Kampf um Gotham" und "Vendetta in Gotham" sogar auf den alteingesessenen Batman treffen. 1995 wurde Judge Dredd mit Sylvester Stallone in der Hauptrolle verfilmt.


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Vor allem wegen seiner Gewaltanteile und "faschistoider law & order-Tendenzen" immer wieder getadelt, kann Judge Dredd als Musterbeispiel für vordergründig Mißverstandenes gelten, nach dem Motto "wo Blut fließt, muß es sich automatisch um einen gewaltverherrlichenden Comic handeln". Wer nicht erkennt, daß es sich bei dieser Serie um eine Parodie handelt, die gerade Verhältnisse, unter denen Gewalt blüht, wächst und gedeiht, entlarvt und bloßstellt, dem entgeht auch, daß hinter dem Bild mehr passiert als auf der Oberfläche. In den mehr als 20 Jahren ihres Bestehens wurden komplette Mythen erschaffen und Storylines über Jahre hinweg subtil verfolgt. Bei den vor einigen Jahren sporadisch im Egmont Verlag erschienenen Judge Dredd-Comics hat man dies leider nicht beachtet und einzelne Geschichten ohne Rücksicht auf den Gesamtzusammenhang veröffentlicht. Ohne diese Chronologie fällt allerdings tatsächlich als erstes die Brutalität auf, wie sogar ausgesprochene Fans zugeben, so daß die Kritik wieder Öl auf ihren politisch korrekten Scheiterhaufen gegossen bekam.

25. August 2008