Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → COMIC

STECKBRIEF/027: Calvin und Hobbes - Ein Junge und sein Plüschtiger (SB)


"Calvin und Hobbes"

Was ein Sechsjähriger und sein Plüschtiger erleben


Die 1985 von dem Amerikaner Bill Watterson erdachte Serie "Calvin und Hobbes" steht in der Tradition der sogenannten Philosophie-Strips, zu denen beispielsweise auch die "Peanuts" gehören. Sie bestehen meist aus einer Reihe von Charakteren, die sich in humorvoller Weise Gedanken über Gott und die Welt machen.

Die ausgesprochen liebenswerten Geschichten um Calvin, einen sechsjährigen Knirps, und seinen Stofftiger Hobbes zeichnen sich durch Originalität und Humor, der mitunter mit einem Schuß Nachdenklichkeit gewürzt ist, aus. Schon allein die Grundidee ist genial: Calvin, der mit einer geradezu unerschöpflichen Phantasie gesegnet ist, mittels der er sich über kürzere oder längere Zeit in seine ganz eigene Traumwelt zu versetzen vermag, läßt auch seinen Plüschtiger zum Leben erwachen. Wenn kein anderer dabei ist - außer dem Leser natürlich - wird aus dem unscheinbaren Kuscheltier ein echter, großer, sprechender Tiger, und, was das schönste daran ist, Calvins allerbester Freund.

Neben all seinen Abenteuern, die er mit Hobbes erlebt, hat Calvin jedoch auch mit durchaus "irdischen" Problemen zu kämpfen, die ihn immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringen, sei es ein rüpelhafter Klassenkamerad, der Calvin immer wieder verdrischt, eine bärbeißige Lehrerin, eine schrecklich strebsame Mitschülerin oder die im Gegensatz zu Calvin absolut phantasielosen und in seinen Augen hoffnungslos rückständigen Eltern. Calvin gelingt es jedoch, auch den Widrigkeiten des Lebens etwas abzugewinnen. So zum Beispiel in der Konfrontation mit Moe, dem streitlustigen Klassenkameraden: "Warte! Schlag mich nicht! Da ist was auf deinem Rücken" - "Aber sicher." - "Im Ernst! Es ist ein Zettel! Deine Mutter muß ihn an dein Hemd geheftet haben." - "Was steht drauf?" - "Da steht: 'An alle LKWs: Bitte diesen Typ überfahren.'" Und das Fazit dieses Strips, bei dem Calvin, wie nach jeder Begegnung mit Moe, ziemlich übel zugerichtet am Boden liegt: "Wenn ich schon verdroschen werde, will ich es wenigstens verdient haben."

Das schönste an diesen Strips ist jedoch die Freundschaft von Calvin und Hobbes, der, auch wenn er durchaus seinen eigenen Kopf hat (und manchmal so richtig den "Tiger" rauskehrt), ein Freund ist, wie jeder ihn sich wünscht, der mit dem frechen und vorlauten Calvin durch dick und dünn geht und alle auferlegten Strafen ohne zu murren mit ihm zusammen erträgt.

Nach zehn Jahren Laufzeit gab Bill Watterson die Einstellung seines Strips bekannt. In einem Formbrief erklärte der Zeichner den zuständigen Redakteuren der Zeitungen, die seine Comicstrips druckten, daß sich seine Interessen verlagert hätten. Er glaube, er habe getan, was man unter dem Druck eines täglichen Redaktionsschlusses und der durch das Format bedingten Einschränkungen tun kann, würde aber in Zukunft mehr Zeit für sich haben wollen und weniger künstlerische Kompromisse eingehen müssen.

Über den als publikumsscheu geltenden Zeichner Bill Watterson ist nur wenig Persönliches bekannt. In der Zeichnergilde galt er schon immer als Außenseiter und Einzelgänger. Zweimal bekam er zum Beispiel den "Reuben-Preis" als "herausragender Künstler des Jahres" verliehen und "hat sich nicht einmal mit einer Postkarte bedankt", wie verärgert konstatiert wurde. Nur ein Mal stellte sich der "Los Angeles Times" für ein Interview zur Verfügung. Seitdem weiß man, daß Calvin den Namen des protestantischen Reformators Johann Calvin trägt und der Sozialphilosoph Thomas Hobbes Pate für den Plüschtiger Hobbes war.

Befremdlich war für die meisten Kollegen auch, daß sich Watterson stets gegen Merchandising und weitere Vermarktung seiner Figuren verwahrt hatte. Den ursprünglichen Verträgen zufolge hätte seine Agentur "Universal Press Syndicate" die Rechte an den Figuren Wattersons gehabt, doch der Zeichner wehrte sich so vehement, drohte sogar mit dem Aufhören, daß er nach fünf Jahren die Nutzungsrechte an seinen Figuren zurückbekam, ohne daß jemand davon Gebrauch gemacht hatte. Somit gehören Calvin und Hobbes zu den wenigen ganz populären Comichelden, die nicht auf T-Shirts, Handtüchern, Tassen usw. erhältlich sind und es auch nie sein werden. Watterson, der Zeichner, der gegen den Strom schwimmt, hatte schon immer andere Prioritäten als das "große Geld", daß er, wie er selber sagt, innhalb einer Minute mit einigen Unterschriften hätte machen können. "Calvin und Hobbes können nicht unversehrt existieren, wenn ich nicht unversehrt existiere. Und ich werde nicht unversehrt existieren, wenn ich mich um all diesen Kram kümmern muß", sagte er schon zu Beginn seiner Karriere.

Heute lebt Bill Watterson zurückgezogen mit seiner Frau in Hudson/Ohio.

5. August 2008