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NEUERSCHEINUNG/546: 05/07 · "Der Sternenwanderer - Stardust" (SB)


Neil Gaiman, Charles Vess


Der Sternenwanderer - Stardust

Ein zauberhaftes Abenteuer im Land der Feen



"Es war einmal ein junger Mann, der sehnte sich danach, daß sich sein Wunschtraum erfüllte ..." Aus diesem, wie der Schreiber sogleich einräumt, nicht gerade ungewöhnlichen Anfang für eine Geschichte, entspinnt sich ein zauberhaftes Märchen um einen herabgefallenen Stern, der in Wirklichkeit eine junge Frau ist und sich nur in der Welt der Menschen in einen kalten, toten Metallklumpen verwandeln würde, und besagten jungen Mann, die sich im Feenland begegnen und nach vielen überstandenen Abenteuern zueinanderfinden. Ein Märchen für Erwachsene, das man sich schöner nicht vorstellen kann, da es mit 175 farbigen Illustrationen des bekannten Zeichners Charles Vess, die sich auf beinahe alle Seiten des Buches verteilen, stimmungsvoll ausgestaltet wurde, und das jeden, der sich auch nur halbwegs für derartige Geschichten erwärmen kann, sogleich in seinen Bann zu ziehen vermag.

Es ist eine beschwerliche Reise, die der junge Tristran Thorn auf sich zu nehmen bereit ist, denn er hat der Dorfschönheit Victoria Forester versprochen, ihr einen Stern zu schenken, der vom Himmel fiel. Dafür muß er aber ins Feenreich gehen, das sich hinter seinem Heimatdorf Wall erstreckt, von diesem aber durch eine massive Steinmauer getrennt ist. Nur einmal alle neun Jahre, wenn auf der Wiese hinter dem Dorf, die sich schon im Feenreich befindet, ein Markt stattfindet, ist es erlaubt, durch den einzigen Durchgang in der Mauer auf die andere Seite zu wechseln. Doch Tristram, der, wie man munkelt, eigentlich von "drüben" stammt (denn die Geschichte fängt eigentlich mit seinem Vater Dunstan an), darf auch außerhalb der Marktzeit hinübergehen - und damit nimmt das Abenteuer seinen Lauf.

"Der Sternenwanderer" ist kein Comic im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr ein illustrierter Roman. Die üppige Ausgestaltung mit Bildern von mal urigen und mal verträumten Landschaften, von Feen, Elfen, Gnomen, Hexen, Kobolden und anderen Zauberwesen, die weit über das Maß hinausgeht, das man einem Buch, zumal, wenn es in erster Linie für Erwachsene gedacht ist, normalerweise zugesteht, erzeugt ein weitreichendes Zusammenspiel von Text und Bild, das man sonst nur beim Lesen von Comics entwickelt. Der Leser kann sich der mit luftigem Strich gezeichneten und in zarten Farben aquarellierten Bilder bedienen, um tiefer in das sagenhafte Märchenreich einzutauchen. Gleichzeitig sind die Illustrationen aber nicht so aufdringlich, daß ihm genug Raum bleibt, sich darüberhinaus auch seine eigenen Bilder zu machen.

"Neil Gaiman hat Stardust mit einem Füller in zwei dicke Bände mit leeren Seiten geschrieben: der erste Band in grünes Leder gebunden, der zweite in schwarzes", ist im biographischen Anhang zu lesen. Eine ungewöhnliche Vorgehensweise im Computerzeitalter, die aber zu der romantischen Geschichte des britischen Comic-Autors und Schriftstellers Neil Gaiman paßt, der schon seit Jahren als einer der meistgeliebten Szenaristen und Texter des Genres gilt, kein Wunder, bescherte er der weltweiten Comic-Gemeinde doch Werke wie "Sandman", was allein schon ausreichen würde, ihm einen Platz in der Hall of Fame der Comics zu sichern. Die bereits 1997 auf so altmodische Weise entstandene Novelle vom Sternenwanderer erscheint jetzt erstmals auch in deutscher Sprache unter dem Label Vertigo im Panini Verlag. Eine Verfilmung unter der Regie von Matthew Vaughn (mit Charlie Cox, Claire Danes, Robert de Niro, Sienna Miller und Michelle Pfeiffer) wird in den deutschen Kinos voraussichtlich im Juli 2007 starten.

"Ich wollte immer schreiben, Geschichten erzählen. Comics sind ein Medium, durch das ich meine Geschichten erzählen wollte. Doch ich kapierte Folgendes nicht: Wie bekommt ein Autor die Geschichte in seinem Kopf auf eine Comic-Seite?" (Zit. aus Das kleine Comic-Lexikon, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag) - das Neil Gaiman dies mittlerweile hervorragend gelingt, dafür sorgte unter anderem Alan Moore, der seinerzeit für das bis heute bekannteste britische Comic-Magazin 2000 AD arbeitete und Gaiman nach Anfängen als Journalist und Schriftsteller gegen Ende der 80er Jahre unter seine Fittiche nahm. Nachdem das Comic-Fandom schon von seinen beiden Erstlingen, den in Zusammenarbeit mit dem Zeichner Dave McKean entstandenen Graphic Novels "Violent Cases" (1987) und "Die schwarze Orchidee" (1988/89), sehr angetan war, schlug Neil Gaimans Neuinterpretation des "Sandman", die ab 1989 bei DC erschien, wie eine Bombe ein und bescherte ihm den internationalen Durchbruch. Für "Sandman" bekam Gaiman den Eisner Award von 1991 bis 1993 sowohl als Autor als auch für die beste fortlaufende Serie, sowie den Harvey Award 1990 und 1991 als bester Autor und 1992 für die beste fortlaufende Serie, um nur einige der zahlreichen Auszeichnungen zu nennen, die er für diese Serie erhielt. Nach etlichen weiteren Comics und Romanen, entstand auch eine Reihe von Skripts und Drehbüchern für Kino und TV. Weiteres ist zu erwarten: "... solange mir die Leser vertrauen und einfach meine Geschichten - egal in welcher Form - mögen, werde ich mich nicht festlegen und mich einfach weiter treiben lassen", sagte Neil Gaiman anläßlich des Erscheinens seines Romans "American Gods" Ende 2003.

8. Juni 2007


Vertigo Select 3: Der Sternenwanderer - Stardust
von Neil Gaiman und Charles Vess
Panini, Stuttgart, Mai 2007
208 Seiten, Softcover, Kleinformat, 19,95 Euro
ISBN 978-3-86607-392-0