Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → COMIC

MANGA/213: Grablicht (2) "Schlaflied der Sonne" von Daniela Winkler (SB)


Daniela Winkler


Grablicht

Band 2 "Schlaflied der Sonne"



Bis auf die Tatsache, daß "Grablicht" nicht von einem japanischen Zeichner angefertigt wurde, hat diese Serie alles, was einen typischen durchschnittlichen Manga ausmacht, von der Leserichtung über die gestalterischen Mittel bis hin zur Symbolik, die sich einem gänzlich uneingeweihten Leser nicht immer sofort erschließt. In ihrer ersten eigenen Serie greift Daniela Winkler das zur Zeit mega-angesagte Vampirthema auf und präsentiert eine romantische Story "mit Biß", die zwar nicht gerade neue graphische oder inhaltliche Dimensionen eröffnet und manchmal etwas verquer daherkommt, deren Charaktere aber immerhin Persönlichkeit entwickeln und dem Leser gerade wegen ihrer Unperfektheit, Schrägheiten und Schrullen durchaus ans Herz wachsen können. Von daher kann man sich vorstellen, warum "Grablicht" zu den beliebtesten Serien auf der Internet-Plattform Comicstars.de gehört, wo sie, nachdem sie zunächst bei Animexx.de erschien, in virtueller Form der Öffentlichkeit vorgestellt wird.

Mit den beiden beliebtesten Veröffentlichungen, der mit humorvollen Elementen angereicherten und wahrscheinlich eher für ein weibliches Publikum bestimmten Serie "Grablicht" und der düsteren, mit skrupellosen Charakteren bevölkerten Produktion "Das Ich" für die männliche Klientel, stieg Comicstars.de in Kooperation mit dem Knaur Verlag im vergangenen Jahr in den Printbereich ein.

Der erste Band von "Grablicht" kam immerhin so gut an, daß im Februar 2011 ein zweiter Band erschien - obwohl sich in der Printversion offenbart, was man beim schnellen Blick auf den Bildschirm oder im Bewußtsein dessen, daß es sich um eine sehr junge Zeichnerin handelt, die noch dabei ist, ihr Handwerk weiter auszufeilen, gerne verzeiht: daß es sich um eine großenteils noch recht unausgereifte Produktion handelt. Dennoch kann "Grablicht" mit einer Vielzahl professionellerer Reihen mithalten, zum einen wegen seiner originellen Charaktere, zum anderen, weil es sich bei vielen dieser Serien um "seelenlose", billige Massenproduktionen handelt, die in rascher Folge auf den Markt geworfen wurden, um, mit maximalem Gewinn, die vor einigen Jahren sprunghaft steigende Nachfrage befriedigen zu können. Daß dabei Zeichner, deren Serien es in der Beliebtheitsskala ganz nach oben geschafft haben, regelrecht "verschlissen" werden, weil sie der steigenden Nachfrage nicht mehr gerecht werden können, ist nur ein negativer Aspekt des Manga-Hypes.

Manga ist nicht gleich Comic

Hier sollen aber nicht etwa Mangas im allgemeinen verdammt werden. Bevor man vorschnell über einen Manga urteilt, etwa indem man ihn mit einem westlichen Comic vergleicht, sollte man sich klarmachen daß beide unterschiedliche graphische Ausdrucksmittel verwenden, darüber hinaus wirkt die fernöstliche Kunst häufig in voller Absicht "holzschnittartig". Auch in Kunstwerken bekannter Meister sehen beispielsweise Gesichter häufig auf den ersten Blick gleich aus. Aber eben nur auf den ersten Blick. Schaut man genauer hin, entdeckt man feine Unterschiede. So kann ein um Millimeter-Bruchteile verschobener Mundwinkel, eine winzige Verbreiterung der Nasenflügel oder eine kaum wahrnehmbare Veränderung an der Augenstellung einen völlig anderen Ausdruck und darüber hinaus auch eine andere innere Haltung des dargestellten Menschen zeigen, die gerade wegen der sparsamen Darstellung umso deutlicher zutage tritt. In dieser Tradition muß man die scheinbar schematisch angelegten und für westliche Augen "immer gleich" wirkenden Mangas sehen. Ein Manga kann also, muß aber nicht "flach" sein.

In erzählerischer Hinsicht ist es Daniela Winkler durchaus gelungen, ihre Figuren von der Norm abzuheben, weil sie ihnen eine überzeugende Persönlichkeit verleiht. Außerdem liest sich der zweite Band schon wesentlich weniger "holperig" als der erste. Zeichnerisch befindet sie sich aber noch zu sehr innerhalb des Schemas, der Holzschnittartigkeit, ohne jene feinen Differenzierungen und Abstufungen, die die Tiefe einer Zeichnung ausmachen. Auch verlegt sich die Zeichnerin zu sehr auf Slapstick-Elemente, wie etwa die für Mangas typische Eigenart, die vertrauten Figuren in bestimmten, meist emotional aufgeladenen Situationen in verniedlichendem Kindchenschema mit grotesk überzogener Mimik zu zeichnen. Wird dieses Stilmittel nicht im Übermaß verwendet, nimmt der Leser die Veränderung der Figuren garnicht bewußt wahr, er interpretiert sie vielmehr korrekt im Sinne des Zeichners als Gefühlsregung oder -ausbruch. In der vorliegenden Geschichte fallen einem die allzu häufig vorkommenden "Kreischgesichter" störend auf und behindern so den Lesefluß.

Die Geschichte

Was bisher geschah: Ein junges Mächen wacht nachts blutüberströmt auf einem Spielplatz auf. Sie kann sich an nichts erinnern. Als sei das nicht schon schlimm genug, steht plötzlich ein junger Mann vor ihr, der behauptet ein Vampir zu sein und sie ebenfalls zu einem dieser Nachtwesen gemacht zu haben. Er nennt seine Schöpfung Emily, weil diese sich an ihren wirklichen Namen nicht erinnern kann. Auf ihre drängenden Fragen, wer sie in ihrem vorigen Leben war, wer sie verletzt hat und ob sie David trauen kann, findet Emily nicht so bald eine Antwort. Auch im zweiten Band der Geschichte muß sie sich zunächst mit ihrem neuen Leben so gut es geht, arrangieren. Und es tauchen drängendere Probleme auf: David hätte sie überhaupt nicht erschaffen dürfen und als Strafe für sein Vergehen droht den beiden nun der Tod. Verzweifelt suchen die beiden nach einem Ausweg, den die naive Emily am Ende gefunden zu haben meint.

Als Leser wünscht man sich und der Autorin eine Entwickung der Geschichte, die über eine reine Liebesstory hinausgeht ...

11. Februar 2011


Grablicht
Band 2 "Schlaflied der Sonne"
von Daniela Winkler
Knaur Taschenbuch Verlag, München 2011
192 Seiten, s/w mit Farbseiten, Softcover, 14,5 x 21 cm
ISBN 978-3-426-53006-1
Bereits erschienen (in gleicher Ausstattung):
Band 1 "Liebeslied an den Tod"
ISBN 978-3-426-53000-9