Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → COMIC

HINTERGRUND/014: 26. September 1945 - Premiere für das Comic-Magazin "Tintin" (SB)


Tintin - Eines der wichtigsten Comic-Magazine im frankobelgischen Sprachraum


Am 26. September 1945 erschien die erste Ausgabe von Tintin. Seit seiner Gründung war das Magazin, zusammen mit seiner flämischen Version Kuifje, eine der wichtigsten Comic-Zeitschriften im frankobelgischen Sprachraum. Viele junge Zeichner erhielten in hier erstmals die Gelegenheit, ihre Arbeiten einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Das Magazin trug so viel dazu bei, den Ruf Belgiens als Land der Comic-Kultur zu festigen und zu stärken. Seine Glanzzeit währte etwa 15 Jahre lang; in dieser Zeit beherrschte Tintin zusammen mit dem seit 1938 bestehenden Magazin Spirou (von dem es ebenfalls eine flämische Ausgabe namens Robbedoes gab), den Markt.

Tintin traf bereits auf fruchtbaren Boden: Im Belgien des Jahres 1946 war die einheimische Comic-Kultur weit entwickelt, wobei der Einfluß von Hergé (mit bürgerlichem Namen Georges Remi) maßgeblich war. Hergé schuf mit seinem Zeichenstil die Schule "Ligne claire", sein übersichtlicher Stil, die "klare Linie", wurde für viele einheimische Zeichner, die diese Darstellungsform aufgriffen, stilbildend. Seit 1929 zeichnete Hergé die Abenteuer des rasenden Reporters Tintin (bei uns bekannt als "Tim und Struppi") für die Wochenbeilage der christlich-konservativen Tageszeitung Le vingtième siècle - mit großem Erfolg, denn schon kurze Zeit nach dem ersten Erscheinen mußte die Auflage der Donnerstags-Zeitung, die die Beilage enthielt, vervierfacht werden.

Durch die verkaufsfördernde Wirkung der Comics bestärkt, publizierten die Verleger weitere Comic-Serien in ihren Zeitungen. Während sie in der ersten Zeit noch auf ausländische Zeichner zurückgreifen mußten, konnten sie schon Ende der 30er Jahre auf ein ansehnliches einheimisches Nachwuchspotential bauen. 1938 erschien die erste Nummer des Comic-Magazins Spirou (siehe HINTERGRUND/0013) mit einer weitgehend belgischen Zeichnerschaft. In der Besatzungszeit während des 2. Weltkrieges, in der der Kontakt mit ausländischen Zeichnern sich zunehmend schwieriger gestaltete, konnten sich die Belgier weiter profilieren, so daß 1946, als Tintin veröffentlicht wurde, ein großes Potential sowohl an jungen als auch an bereits bekannten belgischen Zeichnern zur Verfügung stand.

Viele wichtige Serien wurden im Laufe der Jahre in Tintin publiziert. So etwa "Blake und Mortimer", "Corentin" und natürlich "Tim und Struppi", sowie die bei uns vielleicht weniger bekannten Serien "Alix" und "Bob und Bobette". Später kamen "Comanche", "Dan Cooper", "Oumpah-pah", "Michel Vaillant", "Andy Morgan", "Buddy Longway" oder "Cubitus" hinzu, um nur einige der bekanntesten zu nennen.

Tintin erschien wöchentlich, hatte ab Ausgabe 13 einen Umfang von 16 Seiten und enthielt jeweils zwei Seiten "Tim und Struppi" sowie weitere Comics und ausgewählte Reportagen. Ende Oktober 1948 startete parallel zur belgischen Ausgabe eine französische Edition, die sich als eigenständiges Magazin durchzusetzen verstand.

Während der Zeit, in denen Spirou und Tintin den Markt beherrschten, war die dem Magazin treugebliebene Leserschaft aus der Anfangszeit gereift und hatte einen "erwachseneren" Geschmack entwickelt. Auch die nachströmenden jungen Leser fragten nach realistischeren Abenteuerserien und anspruchsvollerem Humor. Obwohl sowohl Tintin wie auch Spirou behutsam "modernisiert" und auf die veränderten Ansprüche umgestellt wurden, konnten sie die breite Masse der Leserschaft nicht halten. Ab Juni 1978 gab es nur noch ein französischsprachiges Tintin, das bis Ende November 1988 erschien, gefolgt von einem recht kurzlebigen Nachfolger namens Tintin Reporter, der es nur auf 34 Ausgaben brachte. Dessen Nachfolger Hello Bédé erschien immerhin 197 mal, bevor er im Juni 1993 eingestellt wurde. Zwischenzeitlich (1989) mußte auch das seit 1959 bestehende französische Magazin Pilote eingestellt werden.

Das 1978 von Casterman, einem der ältesten belgischen Verlagshäuser ins Leben gerufene Magazin "(A suivre)" (die Klammern gehören zur Schreibweise wie z.B. das Ausrufezeichen bei Joop!) stellte eine moderne Fortsetzung der belgischen Comic-Zeitschriften dar. Bei (A Suivre) hatten Zeichner und Autoren weitgehende Freiheiten. Auch die Länge einer Erzählung war nicht mehr an den traditionellen Umfang von ca. 40 bis 60 Seiten gebunden. Dank dieses Konzeptes entwickelten bekannte Comiczeichner und -autoren wie Tardi, Pratt, Bilal, Manara und viele andere zum Teil wahre Comic-Epen von höchster Qualität und machten das Magazin so zu einer der wichtigsten Comic-Zeitschriften der 80er Jahre. 1997 mußte allerdings auch dieses Magazin eingestellt werden. Somit blieb allein Spirou übrig.

2. September 2008