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FESTIVAL/143: Fumetto 2010 - Thomas Ott "Das ottologische Zimmer" (Fumetto)


Fumetto - Internationales Comix-Festival Luzern, Medienmitteilung vom 22. März 2010

Thomas Ott (Zürich) - Das ottologische Zimmer


Thomas Ott ist einer der international erfolgreichsten Deutschschweizer Comic-Autoren der letzten 20 Jahre. Für sein exklusiv für Fumetto geschaffenes "ottologisches Zimmer" verlässt er die Comic-Seiten und überträgt seine düstere Welt in einen medizinischen Schauraum, der wirkt wie eine Mischung aus einem medizinischen Kabinett aus dem 19. Jahrhunderts und dem Versuchslabor eines ebenso experimentierfreudigen wie dubiosen Professors.

Thomas Otts Welt ist düster. Er zeichnet sie nicht mit schwarzer Tinte auf Papier, sondern kratzt sie mit einer scharfen Klinge aus schwarzem Schabkarton, was den düsteren Charakter seiner Schauergeschichten noch vertieft. Nicht Mickey Mouse und Asterix inspirierten ihn, sondern die französische Underground-Szene der achtziger Jahre (Caro, Doury), gewisse Zeichner aus dem Umfeld von Art Spiegelmans Avantgarde-Magazin RAW (vor allem Charles Burns) und natürlich die Horror-Comics der fünfziger Jahre, zweit- und drittklassige Horror-, Krimi- und Science-Fiction-Filme, Rock'n'Roll - kurz: die amerikanische Trashkultur der fünfziger und sechziger Jahre. Gekonnt spielt er mit Versatzstücken aus diesen trivialen Genres, doch begnügt er sich nicht, diese Klischees nostalgisch zu zelebrieren, sondern unterläuft und modernisiert sie mit böser Ironie.

Ein weiterer Einfluss tritt in seinem "ottologischen Zimmer" zu Tage: Alte medizinische Fachbücher, Atlanten des menschlichen Körpers, Bildsammlungen von sogenannten Freaks und anderen körperlich entstellten Aussenseitern, und die medizinischen und anderen (populär-)wissenschaftlichen Kabinette, die sich vor allem im 19. Jahrhundert dank ihrer Mischung aus Aufklärung und Voyeurismus grosser Beliebtheit erfreuten. Ihnen setzt Ott mit seiner Installation ein eindringliches Denkmal. Wenn er in seinen Stories vor allem in die mentalen und psychischen Abgründe seiner Figuren eintaucht, so setzt er sich im "ottologischen Zimmer" mit ihren Körpern und seinen Deformationen auseinander. Er konzentriert sich auf das Groteske, Abartige und Entartete, um die Schönheiten zu entdecken und zu zelebrieren, die im Hässlichen und Missgebildeten stecken. Mit seinem Schabkartonmesser, das er so virtuos und präzise führt wie der Chirurg - oder der dubiose Professor, dessen Labor wir besichtigen - sein Skalpell, schafft er lebensgrosse Ganzkörperportraits, didaktische Schautafeln und andere mal aufklärerische, mal unsere Sensationslust kitzelnde Schabkarton-Fresken über Gesundheit und Krankheiten, Jugend und Alter, Normalität und Freaks - über die Kürze des Lebens und die Unausweichlichkeit des Todes.

So schafft er mit den Körperwelten in seinem "ottologischen Zimmer" einen geradezu klaustrophobisch nachwirkenden Raum, in welchem ein ungemachtes Spitalbett, Krücken, chirurgische Instrumente, Knochen, Gipsabgüsse etc. beweisen, dass hier vor Kurzem noch experimentiert wurde ... Eine Horrorinstallation der besonderen Art. Kunst, die unter die Haut geht, im wahrsten Sinn des Wortes. Rechtzeitig für Fumetto erscheint in der Edition Moderne das Buch "R.I.P. 1985-2004", das die besten Geschichten aus Thomas Otts drei ersten Comic-Alben versammelt.


Biografie
Thomas Ott, geboren 1966, wächst in Zürich als Sohn eines Zeichenlehrers und einer Maltherapeutin auf. Von 1983-87 studiert er Graphik an der Schule für Gestaltung in Zürich. 1984 entsteht sein erster Animationsfilm "La Grande Illusion", 1986 veröffentlicht er einen ersten Comic im Strapazin und gründet die Rock'n'Roll-Band The Playboys. Seither arbeitet er als freischaffender Comic-Zeichner, Filmemacher, Musiker und Illustrator in Paris (1989-1998) und Zürich.

Bibliografie
"Tales of error" (1989)
"Phantom der Superheld" (1994)
"Greetings from Hellville" (1995)
"Dead end" (1996)
"La grande famiglia" (1998)
"t.o.t.t.: illustrations" (2002)
"Cinema Panoptikum" (2005)
"The Number 73304-23-4153-6-96-8" (2008)
"Unplugged" (2009)
"R.I.P. Best Of 1985-2004" (2010)

Event am Festival
Buchvernissage am 8. Mai, 17.00 Uhr, HSLU Design & Kunst, Experimentierraum

Podcast-Angebot
Zur Ausstellung wird eigens ein Podcast mit O-Tönen des Künstlers produziert.

Link
Website des Künstlers: www.tott.ch


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Quelle:
Medienmitteilung vom 22.3.2010
Herausgeber:
Fumetto - Internationales Comix-Festival Luzern
Rössligasse 12, Postfach 5163, 6000 Luzern 5
Tel: 041 412 11 22, Fax: 041 412 11 23
http://www.fumetto.ch
comix@fumetto.ch


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2010