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FESTIVAL/093: Erlangen 2008 - Max und Moritz-Preis, Preisträger und Nominierte (CSE)


Kultur- und Freizeitamt der Stadt Erlangen - Pressemitteilung vom 21. April 2008

13. Internationaler Comic-Salon Erlangen, 22. bis 25. Mai 2008

Max und Moritz-Preis
Preise an Alan Moore, Hansrudi Wäscher und Hannes Hegen
Jury gibt Nominierungen in sieben Kategorien bekannt


Der britische Comic-Szenarist Alan Moore wird in diesem Jahr für sein herausragendes Lebenswerk mit dem Max und Moritz-Preis ausgezeichnet. Der wichtigste Preis für grafische Literatur im deutschsprachigen Raum wird von Bulls Press, Frankfurt am Main, gestiftet und von der Stadt Erlangen im Rahmen des Internationalen Comic-Salons vergeben.

Das erste Werk, das Alan Moore Anfang der 80er-Jahre bekannt machte, war "V für Vendetta". In der Vielfalt seiner Stoffe und der Zahl der von ihm mit Vorlagen belieferten Zeichner ist er nur noch mit dem Asterix-Erfinder René Goscinny zu vergleichen. Rückblicke und eindringliche Schilderungen von Nebenfiguren machen seinen unvergleichlichen Erzählstil aus. Der Star unter den Comic-Autoren gehört zweifellos zu den großen Schriftstellern der Gegenwart.

Mit einem Spezialpreis zeichnet die Jury in diesem Jahr die beiden deutschen Comic-Legenden Hansrudi Wäscher und Hannes Hegen aus. Sie würdigt damit ihre Pionierleistung für den deutschen Comic in West und Ost. Während Hansrudi Wäscher in der Bundesrepublik Deutschland seit Mitte der 50er-Jahre mit auflagenstarken Abenteuergeschichten wie "Sigurd", "Tibor" und "Nick" aufgeregte Debatten über den Wert oder Unwert von Comics auslöste, prägte parallel dazu Hannes Hegen mit seinen "Digedags" in den von ihm erfundenen Mosaik-Heften eine ganze Generation von Lesern in der DDR.

Die Jury gibt darüber hinaus die Nominierungen in sieben weiteren Kategorien bekannt, darunter die mit 5.000 Euro dotierte Kategorie "Bester deutschsprachiger Comic-Künstler". Hier sind Anke Feuchtenberger, Isabel Kreitz und Reinhard Kleist nominiert. Erstmals wird in diesem Jahr auch ein mit 1.000 Euro dotierter Nachwuchspreis vergeben. Die Preisträger in den verschiedenen Kategorien werden bei der Max und Moritz-Gala (Freitag, 23. Mai, 21.00 Uhr) im Rahmen des 13. Internationalen Comic-Salons in Erlangen bekannt gegeben.

Der Max und Moritz-Preis wird in diesem Jahr zum dreizehnten Mal verliehen. Der Preis ist eine Auszeichnung, die Maßstäbe im Bereich der Comic-Kunst gesetzt hat und seit über 20 Jahren wesentlich zur Anerkennung der grafischen Literatur im deutschsprachigen Raum beiträgt. Mit der Verleihung soll die Arbeit herausragender Künstler gewürdigt, verdienstvolle Verlagsarbeit bestärkt und auf junge Nachwuchstalente aufmerksam gemacht werden. Darüber hinaus ist es ein Anliegen des Preises, die Auseinandersetzung über die qualitativen Kriterien zur Beurteilung der Comic-Kunst zu intensivieren. Der Jury gehören in diesem Jahr an: Denis Scheck (Kritiker, Deutschlandfunk, "Druckfrisch" ARD), Andreas Platthaus (Journalist, Frankfurter Allgemeine Zeitung), Herbert Heinzelmann (Journalist, Medienwissenschaftler), Brigitte Helbling (Journalistin, Mitglied der Arbeitsstelle für Graphische Literatur der Universität Hamburg), Andreas C. Knigge (Journalist, Publizist), Jan Taussig (Bulls Press) und Bodo Birk (Internationaler Comic-Salon Erlangen).

Neben dem Preis für ein herausragendes Lebenswerk und dem Spezialpreis der Jury legten die Juroren die Nominierungen in folgenden Kategorien fest: "Bester deutschsprachiger Comic-Künstler", "Bester Comic-Strip", "Bester deutschsprachiger Comic", "Bester internationaler Comic", "Bester Manga", "Bester Comic für Kinder" und "Bester Szenarist". Den Preisträger in der in diesem Jahr erstmals vergebenen Nachwuchs-Kategorie, für die es keine Nominierungen gibt, legt die Jury erst im Rahmen des 13. Internationalen Comic-Salons 2008 fest. Der Preisträger wird - genauso wie die Preisträger der anderen Kategorien - bei der Max und Moritz-Gala am 23. Mai 2008 (21.00 Uhr, Markgrafentheater) bekannt gegeben.


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Max und Moritz-Preis 2008 - Die Nominierungen

Bester deutschsprachiger Comic-Künstler

Anke Feuchtenberger
aktuell: Die Hure H wirft den Handschuh
Reprodukt

Reinhard Kleist
aktuell: Berlinoir (3). Narbenstadt
Edition 52

Isabel Kreitz
aktuell: Die Sache mit Sorge
Carlsen Comics


Bester Comic-Strip

Bolko schreibt Karten an Bronko
von Katz & Goldt
Die Zeit / Edition Moderne

Flaschko - Der Mann in der Heizdecke
von Nicolas Mahler
Edition Moderne

Sherman's Lagoon
von Jim Toomey
diverse deutsche Zeitungen


Bester deutschsprachiger Comic

Liebe schaut weg
von Line Hoven
Reprodukt

Cash - I see a darkness
von Reinhard Kleist
Carlsen Comics

Der 35. Mai. Als Comic
von Isabel Kreitz
Cecilie Dressler Verlag


Bester internationaler Comic

Gus (1). Nathalie
von Christophe Blain
Reprodukt

Die heilige Krankheit. Geister
von David B.
Edition Moderne

Komm zurück, Mutter
von Paul Hornschemeier
Carlsen Comics

Der alltägliche Kampf (3). Kostbarkeiten
von Manu Larcenet
Reprodukt

Die Katze des Rabbiners (5). Jerusalem in Afrika
von Joann Sfar
avant-verlag


Bester Manga

What a Wonderful World!
von Inio Asano
EMA

Lady Snowblood (1). Kind der Rache
von Kazuo Koike & Kazuo Kamimura
Carlsen Comics

Vertraute Fremde
von Jiro Taniguchi
Carlsen Comics


Bester Comic für Kinder

Der 35. Mai. Als Comic
von Isabel Kreitz
Cecilie Dressler Verlag

Mouse Guard (1). Herbst 1152
von David Petersen
Cross Cult

Die Entdeckung des Hugo Cabret
von Brian Selznick
cbj Verlag


Bester Szenarist

Marguerite Abouet
aktuell: Aya (2)
Carlsen Comics

Kazuo Koike
aktuell: Lady Snowblood (1). Kind der Rache
Carlsen Comics

Olivier Ka
aktuell: Warum ich Pater Pierre getötet habe
Carlsen Comics


Spezialpreis der Jury

Hansrudi Wäscher und Hannes Hegen

in Würdigung Ihrer Pionierleistung für den deutschen Comic in West und Ost


Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk

Alan Moore
aktuell: Lost Girls
Cross Cult


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Preis für ein herausragendes Lebenswerk: Alan Moore

Biografie

Alan Moore, 1953 im englischen Northampton geboren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, schlug sich zunächst als Hilfsarbeiter durch, bevor 1979 sein erster Comic-Strip "Roscoe Moscow" in der Musikzeitschrift "Sounds" veröffentlicht wurde. Damals zeichnete er noch selbst.

Das Zeichnen gab er aber bald auf und konzentrierte sich ganz auf das Schreiben. Für die britischen Magazine "2000 AD" und "Warrior" schuf er unter anderem "Miracleman" und "V wie Vendetta", eine bissige Abrechnung mit der sozialen Kälte der Thatcher-Ära. Alan Moore machte aus einer extrem politisierten Geschichte ein Kunstwerk der Nebenstränge: Rückblicke und eindringliche Porträts von Nebenfiguren tragen mindestens ebenso zur Faszination des Geschehens bei, wie der Terrorismus des Rächers. Ein Erzählprinzip, dem Moore bis heute treu geblieben ist. Seine anschließenden Arbeiten für DC Comics, "Swamp Thing" und vor allem die bahnbrechende zwölfteilige Serie "Watchmen", haben das Genre der Superhelden-Comics nachhaltig geprägt und Alan Moore zu einem der populärsten Comic-Autoren der Welt gemacht.

Seit den 90er-Jahren pendelte Moore zwischen ambitionierten Graphic Novels wie "A Small Killing" oder "From Hell" und phantasievollen Superhelden-Comics ("America's Best Comics"). 1996 erschien sein erster Roman "Voice of the Fire". Im Jahr 1988 legte Moore "The Killing Joke" vor, für viele Leser die beste Batman-Story aller Zeiten. Gemeinsam mit Bill Sienkiewicz veröffentlichte er im Jahr darauf "Brought to Light", eine düstere Parabel über den Missbrauch politischer Macht. Mit Eddie Campbell als Zeichner folgte "From Hell", eine schlussendlich auf 600 Seiten angewachsene Rekonstruktion des Kriminalfalls um Jack the Ripper. In den späten 90er-Jahren veröffentlichte Moore eine Reihe anspruchsvoller und allegorischer Superhelden-Comics wie "Top 10" und "Tom Strong". Er spielte mit fiktiven Gestalten der viktorianischen Literatur in "The League of Extraordinary Gentlemen". Zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der amerikanischen Künstlerin Melinda Gebbie, entstand "Lost Girls" - eine erotische Comic-Fabel, die kunstgeschichtliche und literaturästhetische Ansätze mit Pornografie verbindet.

Für seine Geschichten hat sich Alan Moore immer wieder neue Zeichner gesucht, darunter David Lloyd ("V für Vendetta"), Brian Bolland ("The Killing Joke"), Dave Gibbons ("Watchmen") und Kevin O'Neill ("The League of Extraordinary Gentlemen") sowie Melinda Gebbie für "Lost Girls", die Moore nach Abschluss der gemeinsamen Arbeit geheiratet hat. In der Vielfalt seiner Stoffe ist er nur noch mit dem Asterix-Erfinder René Goscinny zu vergleichen. Dabei agiert Moore weitaus kompromissloser, was seine Qualitätsmaßstäbe angeht: Drei seiner Graphic Novels wurden verfilmt - "From Hell", "The League of Extraordinary Gentlemen" und "V wie Vendetta" - von allen drei Filmen hat er sich aber distanziert. Gespannt darf man deshalb auf die anstehende Verfilmung von "Watchmen" sein, da Regisseur Zack Snyder ("300") vor allem eins möchte: "Einen Film inszenieren, der Moore gefällt."

Alan Moore ist nicht nur einer der gefragtesten und renommiertesten Comic-Schaffendenden unserer Zeit, er ist auch einer der originellsten und wagemutigsten, wenn es darum geht, der Gattung neue Wege aufzuzeigen und neues Terrain auszuloten. Er ist weltweit mit zahlreichen Comic-Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem 2000 mit dem Max und Moritz-Preis als bester Szenarist. Moore lebt mit Melinda Gebbie nach wie vor zurückgezogen in seiner Geburtsstadt Northampton in Mittelengland.

"Das Leben kann man nicht in literarische Gattungen unterteilen. Es ist ein erschreckender, romantischer, tragischer, komischer, Science Fiction-Western-Krimiroman. Mit ein bisschen Glück kommt auch ein wenig Pornografie drin vor." Alan Moore


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Spezialpreis der Jury: Hansrudi Wäscher und Hannes Hegen in Würdigung Ihrer Pionierleistung für den deutschen Comic in West und Ost

Hansrudi Wäscher - Biografie

Hansrudi Wäscher wurde am 5. April 1928 in St. Gallen geboren. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in der deutschsprachigen Schweiz. Danach zog er mit seinen Eltern nach Lugano. Dort verfiel er, wie die meisten seiner Altersgenossen, der Comic-Lektüre, die er später in Deutschland schmerzlich vermissen musste. 1940 kam Wäscher nach Hannover. Nach dem Abschluss der Mittleren Reife begann er 1944 eine Lehre als Plakatmaler, entschied sich dann aber für ein Studium der Gebrauchsgrafik an der Werkkunstschule. In dieser Zeit zeichnete er ein Verkehrserziehungsheft für die Stadt Hannover namens "Der Herr Boll" und ein "Peterle-Heft" für den Schwarzwald Verlag, das jedoch nie veröffentlicht wurde. Während und nach dem Studium schlug er sich als Illustrator für Zeitschriften und als Plakatmaler für Kinofilme durch.

Von 1953 bis 1968 war Hansrudi Wäscher der produktivste Comic-Zeichner des Walter Lehning Verlages, Hannover. Nach den Abenteuern des Ritters "Sigurd" entwickelte er historische Geschichten um "Gert" und "Jörg" und setzte die Dschungelserie "Akim" des Italieners Augusto Pedrazza fort.

Unter dem Druck der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und einem jahrelangen Lizenzstreit mit dem italienischen Herausgeber, wurde "Akim" eingestellt und Wäschers Dschungelheld "Tibor" ins Leben gerufen. Es folgten der Ritter "Falk", der Weltraumfahrer "Nick", die Piloten "Bob" und "Ben" und der Stuntman "Roy Stark". Gleichzeitig zeichnete Wäscher Titelbilder und Einzelepisoden für andere Verlagsreihen. Im Jahr 1959 erreichte Hansrudi Wäscher die höchste Produktivität seines Lebens und arbeitete oft an vier Serien gleichzeitig.

Im Jahr 1969 wechselte Wäscher zum Bastei Verlag. Dort zeichnete er die Serie "Buffalo Bill", die alternierend mit anderen Westernhelden in der Heftreihe "Lasso" erschien. Von 1975 bis Ende 1984 wurde "Buffalo Bill" als Eigentitel fortgesetzt. Für diese Reihe entwickelte er etwa 150 Abenteuer. 1982 begann Wäscher die Reihe "Gespenster Geschichten" mit insgesamt 49 Episoden. Ebenfalls 1982 erfand Wäscher für den Norbert Hethke Verlag die Fantasy-Figur "Fenrir". Gleichzeitig druckte Norbert Hethke alle Hefte und Serien der bereits etablierten Helden nach. Später kamen neue Abenteuer hinzu.


Hannes Hegen - Biografie

Johannes Hegenbarth (Künstlername Hannes Hegen) wurde am 16. Mai 1925 in Böhmisch-Kamnitz geboren. Er absolvierte die Staatsfachschule für Kunstglasindustrie Steinschönau, studierte ab 1943 an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien und ab 1947 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.

Es war ein günstiger Augenblick, als sich der ambitionierte Zeichner 1955 mit seiner Mappe bei dem Verlag "Neues Leben" vorstellte. Denn der Zentralrat der Organisation Freie Deutsche Jugend (FDJ), dem der Verlag unterstellt war, hatte die Entwicklung eines Gegenstücks zu West-Comics, insbesondere der Micky Maus, in Auftrag gegeben. Hegen überzeugte mit seiner zeichnerischen Qualität und bekam die Chance, die neue Heftreihe für Jugendliche ab neun Jahren zu konzipieren. Am 23. Dezember 1955 erschien das erste "Mosaik von Hannes Hegen" mit dem Digedag-Trio, bestehend aus Dig, Dag und Digedag. Um sich von den westlichen Comics zu distanzieren, bezeichnete man die in der DDR produzierten Comics als "Bilderzeitschriften". Aufgrund stilistischer Analogien zu den Publikationen des Klassenfeinds, wie z. B. Sprechblasen, Humor und Lautmalerei, unterlag das "Mosaik" jedoch ständiger Beobachtung.

Nachdem "Mosaik" 1960 zum Zeitungs- und Zeitschriftenverlag "Junge Welt" wechselte, wurden die historischen und wissenschaftlichen Inhalte weiter ausgebaut, um bei der Jugend ein verstärktes Interesse für die entsprechenden Themen und Berufe zu wecken. Während es den meisten DDR-Bürgern nicht vergönnt war zu reisen, waren die Digedags in Raum und Zeit weltweit unterwegs. Nachdem sich Hegen 1973 mit der Verlagsleitung überwarf, kündigte er, behielt aber die Urheberrechte an seinen Digedags. Das "Mosaik" erscheint seit 1975 mit einem neuen Heldentrio, den Abrafaxen, heute in 21 verschiedenen Sprachen. Die Geschichten von Dig, Dag und Digedag sind inzwischen in Buchserien und Reprintmappen im Buchverlag "Junge Welt" veröffentlicht worden, der 2006 mit dem Tessloff Verlag fusionierte.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 21. April 2008
Herausgeber:
Stadt Erlangen
Kultur- und Freizeitamt
Abteilung Bildende Kunst und Kulturelle Programme
Britta Bock
Gebbertstraße 1, 91052 Erlangen
Tel. +49 (0) 9131 / 86-1402
Fax: +49 (0) 9131 / 86-1411
britta.bock@stadt.erlangen.de
www.comic-salon.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2008