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ANTIQUARIAT/073: "Star Trek" von Friedman, Purcell, Moore (SB)


Michael Jan Friedman, Gordon Purcell, Jerome Moore


Star Trek

Band 4 "Treffen der Generationen"



Der 1996 im Feest Verlag erschienene vierte Band der Comic-Reihe zur TV-Serie stellte den bisherigen Höhepunkt der Serie dar. Durch einen Wechsel in der Zeichnercrew gewann die optische Gestaltung enorm hinzu. Die Charaktere sind durchweg gut getroffen und man sieht, daß sich die Zeichner große Mühe gegeben haben, über das bloße "Wiedererkennen" hinaus die Persönlichkeiten der einzelnen Darsteller wiederzugeben und so die vertraute Enterprise-Atmosphäre entstehen zu lassen. Auch inhaltlich hat sich einiges getan. Während sich beispielsweise die Story des dritten Bandes über weite Strecken in wüsten Klingonen-Prügeleien erschöpft, erreicht das neue Album eine - der Filmvorlage entsprechend - hohe Qualität und Komplexität.

Inhalt

Jungfernflug der neuen Enterprise B. Trotz heftigsten Widerstandes ("Als ich in Pension ging, habe ich geschworen, nie wieder den Fuß auf ein Raumschiff zu setzen...") konnte Scotty Captain Kirk doch noch dazu überreden, an diesem Ereignis teilzunehmen. Und nun sitzen sie auf der Ehrenbank, Kirk, Scotty und Chekov, und lassen sich von dem jungen Captain, der angesichts der Raumfahrerlegenden immer nervöser zu werden scheint, in höflichen Worten begrüßen.

Endlich geht es los auf "eine kurze Runde um den Block", wie sich der Captain ausdrückt, und für eine Weile genießt man den reibungslosen Flug. Doch da kommt ein Notruf herein! Zwei Transportschiffe mit El Aurianischen Flüchtlingen, deren Planet von den Borg zerstört wurde, sind in Not geraten. Ausgerechnet jetzt stellt sich heraus, daß die neue Enterprise eigentlich noch gar nicht fertig ist. Weder befindet sich eine vollständige Crew an Bord, noch hat man einen funktionsfähigen Traktorstrahl, mit dem man die in Not geratenen aus der gefährlichen Energieverzerrung herauslotsen könnte. Da kein weiteres Schiff in der Nähe ist, geht man das Risiko ein und fliegt selbst in die Gefahrenzone, um die Flüchtlinge an Bord beamen zu können. Für eines der Schiffe ist es allerdings zu spät, es explodiert, und auch von dem zweiten können nur 47 Personen gerettet werden. Unter ihnen erkennt man überraschenderweise auch Guinan, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch eine Unbekannte ist.

Doch nun steckt die Enterprise selbst in der Klemme. Kirk eilt zu den Deflektoren-Relais, um den drohenden Schiffs-Kollaps zu verhindern, was ihm auch gelingt. Nur einzelne Sektionen erleiden Brüche in der Außenhülle - unter ihnen Sektion 15, auf der sich die Deflektoren-Relais befanden. ... Die Enterprise B muß ohne Kirk zurückfliegen.

Szenenwechsel. Auf dem Holodeck der Enterprise spielt sich eine historische Seeszene ab. Captain Picard und seine Crew sind in altmodische Kostüme gekleidet und feiern Worfs Ernennung in den Rang eines Lieutenant Commanders. Eine Prüfung muß er allerdings noch absolvieren. Sie besteht darin, daß er, auf einer wackeligen Planke balancierend, mit einem waghalsigen Sprung seine neue Mütze, die hier als "Rangabzeichen" dient, erringen muß. Wider Erwarten gelingt der Sprung. Damit den anderen Worfs (bereits fest eingeplanter) Flug ins Wasser nicht entgeht, läßt Riker die Planke vom Computer entfernen ...

Alle lachen. Data hat so seine Schwierigkeiten mit dem Thema "Humor", denn als er kurzerhand Dr. Crusher ins Wasser wirft, findet das niemand mehr witzig.

Ein Alarm unterbricht den Ausflug. Noch in Kostümen eilt die Besatzung auf die Brücke. Das Amargosa-Observatorium meldet einen Überfall! Doch man kommt zu spät, die Angreifer sind schon wieder abgezogen. Ein Überlebender wird geborgen, ein Wissenschaftler namens Dr. Tolian Soran, der, sofort nachdem er sich erholt hat, wieder auf die Station will, angeblich, weil er wichtige Experimente zu Ende bringen muß. Er gerät mit Picard aneinander, der sich dagegen ausspricht, weil er nicht für die Sicherheit des Wissenschaftlers garantieren kann.

Bei einer Szene in "10 vorne" kann man beobachten, wie Guinan auf den Fremden reagiert; als er vorbeigeht, scheint sie irgendetwas zu spüren ...

Data und Geordi untersuchen die Amargosa-Station. Bei dem Überfall scheinen Klingonen ihre Hand im Spiel gehabt haben. Data erleidet plötzliche Ausfälle, die daher rühren, daß der Emotionschip, den er sich nach langem Zögern nun doch einsetzte, seine Synapsen überlastet. Daher kann er nicht eingreifen, als plötzlich Dr. Soran auftaucht und Geordi niederschlägt ... Unterdessen erreicht die Enterprise wieder ein Alarm: Vom Observatorium wurde eine Solar-Sonde auf die Amargosa-Sonne abgeschossen, die in der Folge in wenigen Minuten das ganze System vernichten wird. Und Data und Geordi sind noch auf der Station! Riker, der sich ebenfalls hinunterbeamen läßt, kommt zu spät. Er kann nur noch beobachten, wie Dr. Soran Geordi entführt und mit einem klingonischen Schiff, das sich vor der Station enttarnt, in Richtung des Veridian-Systems flieht.

Im weiteren Verlauf stellt sich heraus, daß Dr. Soran einer der El Aurianischen Flüchtlinge war, die damals von der Enterprise B gerettet wurden. Guinan kann sich noch gut an ihn erinnern. Und obwohl alles dafür zu sprechen scheint, daß er eine gefährliche Waffe entwickelt hat, die er anscheinend den Klingonen in die Hände spielen will, meint sie, daß er kein Interesse an Waffen habe, sondern sein einziges Verlangen darin bestehe, in den Nexus zurückzukehren, ein Ort an dem auch sie einst lebte und wo man sich fühlt wie im Inneren des Glücks, wie sie es ausdrückt. Die Enterprise-Leute vermuten, daß die Amargosa-Sonne eine Art Verbindung zum Nexus darstellen könnte ...

Die Enterprise nimmt ebenfalls Kurs auf das Veridian-System. Soran will anscheinend vom Planeten Veridian 3 aus eine weitere Sonnen-Sonde abschießen, um durch die freiwerdenden Energien in den Nexus zu gelangen. Dabei würden Millionen von Lebewesen sterben. Picard läßt sich gegen Geordi austauschen und zu Soran auf die Planetenoberfläche beamen. Er versucht, den Wissenschaftler von seinem Plan abzubringen - ohne Erfolg. Soran schießt die Sonde ab und Picard findet sich unversehens in einer unwirklichen Umgebung wieder. Es ist Weihnachten und er ist bei seiner Familie (die er in Wirklichkeit gar nicht hat), auch Guinan ist da. Sie erklärt ihm, daß er sich im Nexus befindet, dem Ort, an dem sich alle Wünsche erfüllen und an dem Zeit keine Rolle spielt. Man kann in Vergangenheit und Zukunft blicken ...

Doch Picard läßt sich von seinen Empfindungen nicht gefangennehmen und reißt sich von dem trauten Beieinander seiner Familie los. Er trifft auf Kirk, der bei der damaligen Katastrophe ebenfalls hierher gelangt ist. Gemeinsam suchen sie einen Ausweg. Indem sie sich in der Zeit zurückbewegen, was im Nexus ohne weiteres möglich ist, gelingt es ihnen, die Abschußrampe zu erreichen, von der Dr. Soran die zerstörende Sonde erst abschießen will ...

Unterdessen gelang es den Leuten auf der Enterprise, das Klingonenschiff außer Gefecht zu setzen. Bei der Schlacht mußten sie allerdings auf dem Planeten Veridian 3 notlanden, wobei die Enterprise beschädigt wird.

... Picard und Kirk schaffen es, den Abschuß der Sonde zu verhindern. Bei dem Unternehmen stirbt Kirk. Picard befindet sich, da der Abschuß der Sonde ja nun gar nicht stattgefunden hat, unversehrt auf dem Planeten Veridian 3. Die Besatzung der Enterprise hat den Absturz überstanden, das stolze Flaggschiff der Sternenflotte muß allerdings aufgegeben werden, denn die Schäden sind zu groß. Wehmütig nehmen Picard und Riker Abschied von ihrem Schiff: "Ich habe immer gehofft, eines Tages auf diesem Stuhl zu sitzen." - "Vielleicht werden Sie das noch? Irgendwie bezweifle ich, daß dies das letzte Schiff sein sollte, das den Namen Enterprise trägt."

"Hinter den Kulissen"

Als Anhang des Albums findet sich ein Kapitel "Hinter den Kulissen einer Comic-Adaption", das hier besonders lobend erwähnt werden soll. Anhand der Entstehung einer Seite des vorliegenden Comics beschriebt Margaret Clark, die Redakteurin der US-Ausgabe, die Entstehung des Albums mit allen Hindernissen, Schwierigkeiten bei der Umsetzung, Materialbeschaffung usw. Zum Beispiel erfährt man, daß zum damaligen Zeitpunkt der Film "Treffen der Generationen" überhaupt noch nicht fertiggstellt war und daher niemand wußte, wie er endgültig aussehen würde. Abgesehen davon, daß der Handlungsumfang des Films sowieso auf Comic-Format zurechtgestutzt werden mußte, stellte sich der Texter aus dem Drehplan den Handlungsablauf auch noch selber zusammen. Zeichner und Koloristen hatten Mühe, mit Standbildern aus dem Film und anderen zusammengesuchten Materialien zurechtzukommen.

Besonders anschaulich ist auch, daß man sich hier den "Werdegang" einer Seite von der Vorzeichnung über die Tuschezeichnung bis zum Endergebnis einmal anschauen kann. Auch die Beteiligten, als da sind: Michael Jan Friedman - Autor, Gordon Purcell - Vorzeichnungen, Jerome Moore - Tuschezeichnungen, Rick Taylor - Kolorierung, Willie Schubert - Lettering, werden dem Leser vorgestellt. Solcherlei Hintergrundinformationen, die von den meisten Comic-Fans mit Begeisterung gelesen werden, sind bedauerlicherweise sehr rar.


*


Der Comic als Ergänzung zum Film

Beim Lesen eines Comics hat man, anders als im Film, die Wahl, an einem bestimmten Bild oder einer Sequenz so lange zu verweilen wie man möchte. Dadurch bestimmt man den Handlungsablauf mit und setzt seine eigenen Wahrnehmungs-Prioritäten. Der eine betrachtet die Kampfszenen ausgiebiger, weil ihn die Details interessieren, vielleicht betreibt er selber als Hobby eine Kampfkunst und es macht ihm Spaß, im Geiste nachzuvollziehen, welche Griffe und Tricks angewendet wurden. Der andere ergötzt sich lieber an den zwischenmenschlichen Seiten, den sozialen Interaktionen, etwa an einem süffisanten Lächeln Rikers, nachdem er Worf gerade die Planke unter den Füßen weggezogen hat oder über Datas vergeblichen Versuch, den menschlichen Humor zu verstehen, indem er Dr. Crusher ins Wasser wirft. Wieder ein anderer versetzt sich gerne in die Gefühlslage von Personen hinein und versucht sich beispielsweise vorzustellen, was der abweisende und verschlossen wirkende Picard, dessen "sich Abkapseln" von der Umwelt mit einer besonders dicken Umrißlinie treffend und eindrücklich gekennzeichnet wurde, in diesem Moment gerade empfinden mag.

Beim Comic-Lesen hat man für all diese Dinge viel mehr Zeit. Man kann umblättern, wann man will und die Dinge zur Kenntnis nehmen, die einem am wichtigsten sind. Ein Film zwingt mehr dazu, der Handlung "zu folgen". Wenn man bei einer Szene, die einem gefallen hat, verweilt, entgeht einem womöglich die nächste und so ist man ständig in Eile. Daher wird man beim Betrachten des Comics die Szenen des Films, die einem automatisch in Erinnerung kommen, mit neuen Aspekten ergänzen können.

Die Star Trek-Comicserie ist eine Serie für Fans von Star Trek-Filmen, was heißt, daß man den Comic wahrscheinlich nur dann so richtig genießen kann, wenn man den jeweiligen Film gesehen hat, andernfalls bleibt die Handlung einfach zu lückenhaft. Bei dem Album, das wir Ihnen hier beispielhaft für die bei Feest erschienene Serie vorstellen wollen, galt es, zwei Stunden Kino auf 58 Comicseiten unterzubringen - da muß man zwangsläufig einiges weglassen. Aber wer den Film kennt und die Serie Raumschiff Enterprise schätzt, für den dürfte insbesondere dieser Band ein Highlight sein. Man erlebt das Phänomen, die Geschichte mit Hilfe des Comics noch einmal wiederaufleben zu lassen, und das nicht nur als simple Wiederholung, sondern - der Comic ist schließlich ein völlig anderes Medium als der Film, mit anderen Prioritäten und Sehweisen - noch einmal ganz neu.

22. Februar 2008


Star Trek (4) "Treffen der Generationen"
Michael Jan Friedman (Autor), Gordon Purcell (Vorzeichnungen),
Jerome Moore (Tuschezeichnungen), Rick Taylor (Kolorierung),
Willie Schubert (Lettering)
Feest Comics, 1996
64 Seiten, Softcover, damaliger Verkaufspreis 19,80
ISBN 3-89343-549-2