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ANTIQUARIAT/051: "Der tägliche Wahn" von Miguelanxo Prado (SB)


Miguelanxo Prado


Der tägliche Wahn



Neunzig Prozent der Geschichten vom Täglichen Wahn habe ich selbst hautnah miterlebt. Ich glaube, wir alle brauchen irgendeine Form von Schutz, um den modernen Alltag in der Großstadt überhaupt ertragen zu können. Es gilt doch als völlig normal, wer sich den Zwängen des Alltags und dem Dauerstreß unterwirft und nicht, wer darunter leidet. Wenn ich mir überlege, wie viele Gemeinheiten man seinen Mitmenschen gegenüber an nur einem Tag begeht und wie viele man selbst erdulden muß, kann ich gar nicht anders, als darüber eine Geschichte zu schreiben.

Miguelanxo Prado

Wie Miguelanxo Prado wird es vermutlich auch den meisten Lesern gehen, denn außergewöhnlich sind sie nun wirklich nicht, die kleinen, fiesen Begebenheiten und sozialen Stellungskriege, die sich da hinter Büroschreibtischen, in der Kantine und überall dort, wo Menschen sich begegnen, abspielen. Aber was will man auch anderes erwarten, es heißt schließlich "Der TÄGLICHE Wahn" - und der setzt sich nun mal aus Bagatellen zusammen, die dennoch oftmals das wichtigste im Leben zu sein scheinen.

Was sind die Themen? Kinder, die immer alles haben wollen, Weihnachtsgeschenke, die nur als Statussymbole dienen, die Angst des verheirateten Angestellten vor der Gerüchteküche, wenn er mit seiner netten Kollegin gesehen wird, die Leiden eines abstinenten Rauchers, Mißachtung von sozial Schwachen bzw. solchen, die man dafür hält, Beamte, die ihre Autorität hemmungslos an Normalsterblichen auslassen und verschiedenes mehr. Ein buntes Samelsurium, für dessen Urheber die Titulierung "Prado als sozialkritischer Chronist des Abendlandes", wie es ein Comic- Fachmagazin einmal formulierte, allerdings etwas hochgegriffen scheint, auch wenn der "Tägliche Wahn" Stories wie die etwas rührselige Geschichte eines alten Mannes enthält, der in einer armseligen Blechhütte vor sich hin lebt und nun in typisch behördlicher Ignoranz mit einer völlig unsinnigen Rentenrückzahlungsforderung behelligt wird.

Der als achter Band in einer dem spanischen Autor, Illustrator, Comic-Zeichner und "Shooting-Star der 90er" Miguelanxo Prado gewidmeten Werkreihe erschienene "Tägliche Wahn" faßt 17 Kurzgeschichten zusammen, die der Autor seit 1992 für verschiedene internationale Magazine gezeichnet hat. Die in diesem Band vorliegenden kurzen Episoden geben zudem ein gutes Beispiel für die außerordentliche zeichnerische Vielseitigkeit Miguelanxo Prados. Im Gegensatz zu den meisten Comic-Schaffenden, die sich auf einen bestimmten Stil festgelegt haben, erstreckt sich sein Repertoire von zarten Bleistiftzeichnungen über pastellig kolorierte Episoden von skizzenhafter Leichtigkeit bis hin zu fetzig-bunten "typischen" Comics. Auch seine ins karikaturhafte verzerrten Gesichter und Gestalten sind einen zweiten und dritten Blick wert.

"Der tägliche Wahn" wurde in den meisten westeuropäischen Ländern mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet, so z.B. mit dem französischen "Alph' Art" des Comic-Salons in Angoulême und dem "Max-und-Moritz-Preis" der Stadt Erlangen.

27. September 2007


Prado-Werkreihe Band 8
"Der Tägliche Wahn" (3)
Miguelanxo Prado
Ehapa Verlag, Stuttgart, 1997
64 S., Softcover, Klappenbroschur
ISBN 3-7704-1436-5