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ANTIQUARIAT/048: Barks-Library - "Fähnlein Fieselschweif" (1) (SB)


Carl Barks, John Carey, Tony Strobl


Barks-Library

"Fähnlein Fieselschweif" (1)



Ein gigantisches Projekt, das in diesem Ausmaß noch keinem Comic-Zeichner gewidmet wurde, ist die "Barks Library". Herausgekommen sind dabei weit über 100 Bände, die, neu koloriert und handgelettert, das Lebenswerk Carl Barks dokumentieren. Mit der kompletten Sammlung hat man alles an Comic-Geschichten von Carl Barks im Bücherschrank, was jemals erschienen ist.

In der Barks Library - Comics sind, durch redaktionelle Beiträge ergänzt, chronologisch geordnet alle Geschichten zusammengefaßt, die Carl Barks für "Walt Disney's Comics & Stories" zeichnete. In einer Reihe von Spezialbänden wurden darüber hinaus alle weiteren langen Erzählungen, One-Pager und Sonderpublikationen, die zwischen 1942 und 1967 in "Four Colour", "Donald Duck", "Uncle Scrooge" und diversen Sonderheften publiziert wurden, veröffentlicht. Texte aus der amerikanischen Library, speziell für diese Serie geschriebene Artikel deutscher Autoren, Bildmaterial, das sich in der Originalausgabe nicht findet, sowie Quellenangaben und Hinweise zu den deutschen Veröffentlichungen ergänzen die Werkausgabe, die sämtliche 6371 Comic-Seiten präsentiert, die der am 25.8.2000 verstorbene Carl Barks von 1943 bis zu seiner Pensionierung 1966 schuf.

Jedes Album enthält mindestens einen ausführlichen Artikel, in dem es entweder um eine im betreffenden Band veröffentlichte Geschichte oder um allgemeine Betrachtungen zum Barkschen "Duckoversum" und seinen Charakteren geht. Da es im allgemeinen recht schwierig ist, an differenziertes Hintergrundmaterial zu kommen und Veröffentlichungen dieser Art eher dünn gesät sind, stellen sie für den interessierten Leser einen besonderen Leckerbissen dar.

Die deutsche Ausgabe der Barks Library, die zum Sommer 2003 komplett vorlag, enthält auch Geschichten, die von Carl Barks zum Teil nur geschrieben oder vorgezeichnet und später von anderen bekannten Disney-Zeichnern wie Don Rosa, Tony Strobl oder Daan Jippes vollendet wurden. Diese Bände enthalten, soweit vorhanden, zusätzlich zu den Geschichten, auch die Original-Vorzeichnungen von Carl Barks. Eines dieser Alben, den ersten Band aus der Special-Reihe "Fähnlein Fieselschweif" wollen wir Ihnen heute vorstellen:

Es scheint, als seien die idyllischen Tage gezählt, die die Mitglieder des Fähnlein Fieselschweif bisher im Bärenforst verbringen konnten. Onkel Dagobert hat Pläne zur Stadterweiterung und denen soll das letzte Stückchen unberührte Natur vor den Toren Entenhausens zum Opfer fallen. Schon rücken die Planierraupen an. Die Fieselschweiflinge und die Bewohner des Waldes können ihnen zwar zunächst noch Widerstand leisten, doch es ist absehbar, daß sie angesichts der nachrückenden Verstärkung an Mensch und Technik aufgeben werden müssen. Glücklicherweise muß Onkel Dagobert aufgrund eines Mißgeschicks eine Nacht lang im Bärenforst ausharren - und entdeckt dort die Schönheit der Natur wieder neu ...

Nachdem die Barks Library - Comics vollständig erschienen war, die Donald und Dagobert Duck gewidmeten Special-Reihen sich aber noch eine Weile lang fortsetzten, standen als "Ablösung" für die Hauptserie die Pfadfinder vom Fähnlein Fieselschweif parat: Mehrere Specials versammelten die Abenteuer von Tick, Trick und Track mit ihrer Pfadfindertruppe, den "Junior Woodchucks", bei uns als "Fähnlein Fieselschweif" bekannt. 1966 startete diese Serie, zu der Barks, noch einmal aus der Rente geholt, eine Reihe von Handlungsabläufen und Scribbles erstellte, die anderen Zeichnern als Vorlage dienten. "Ja, zum Teufel, ich schreibe immer noch ein paar Geschichten für Gold Key", schrieb er 1972 einem Fan. "Der Redakteur war so verzweifelt auf der Suche nach Geschichten, daß ich mein müdes Hirn noch mal auf Touren gebracht habe, um ab und an eine Geschichte für die 'Huey, Dewey and Louie - Junior Woodchuck'-Reihe zu schreiben".

Diese Stories, es sind rund zwei Dutzend an der Zahl, wurden in der "Barks Library - Fähnlein Fieselschweif" erstmals vollständig im deutschsprachigen Raum veröffentlicht. Somit kam neben bereits erschienenen Geschichten auch bisher noch unveröffentlichtes Material heraus. Die Umsetzung der Scripts von Barks wurde seinerzeit überwiegend von John Carey, Tony Strobl und Kay Wright erledigt, deren Zeichnungen allerdings zum Teil recht steif und ausdruckslos wirken. Daan Jippes, der sich stark am Stil von Carl Barks orientiert, hat einige dieser Geschichten neu getuscht. Soweit vorhanden, wurden seine Versionen in der "Barks Library - Fähnlein Fieselschweif" denen anderer Zeichner vorgezogen, da Jippes nach einhelliger Meinung am besten dazu in der Lage ist, Barks Zeichenstil nachzuempfinden. Barks selbst konnte wegen seines schlechter werdenden Augenlichts damals die Tuschezeichnungen nicht mehr selbst ausführen, außerdem zog er es vor, sich in Ruhe der Arbeit an seinen Ölbildern zu widmen.

Als besonderer Leckerbissen werden in den "Fähnlein Fieselschweif"-Specials auch die Vorzeichnungen von Carl Barks veröffentlicht, was sowohl für Fans des "guten Zeichners" als auch für ganz allgemein am Comiczeichnen Interessierte von besonderem Wert sein dürfte. Die Vorzeichnungen sind zwar recht klein - 1/4 Seite - doch zur Not nimmt man eben eine Lupe zur okHilfe. Was man auch ohne Lupe erkennen kann, ist die Präzision, mit der Barks, geübt durch mehr als 30 Jahre Praxis, in denen er über 6000 Comic-Seiten anfertigte, seine Skizzen herstellte. Aus dem ständigen Zeitdruck, unter dem er während seiner Tätigkeit bei Disney jahrelang stand, erwuchs seine Fähigkeit zum zeitunaufwendigen, aber dennoch alles wesentliche charakterisierenden Skizzieren. Alle wichtigen Bestandteile der späteren Reinzeichnung stehen bereits fest und sind, obwohl erst im Entwurf, dennoch deutlich erkennbar. Gleichzeitig sind die Zeichnungen auf eine Art "unfertig", in der der Tuscher ebenfalls noch Raum hat, kreativ zu werden.

"Die Fähnlein Fieselschweif-Skripts bieten uns nicht nur einen einzigartigen Einblick in Barks Arbeitsweise, sondern umfassen auch eine entscheidende Phase seiner Karriere", schreibt Geoffrey Blum in seinem Vorwort zu diesem Band. "Es ist der letzte Versuch des Comicautors Barks, mit dem Niedergang des modernen Amerikas umzugehen. Er widmet sich mit Nachdruck den aktuellen gesellschaftlichen Problemen: politische Korruption, Demonstrationen, aufdringliche Reporter und böse Samariter ..."

Die Umweltverschmutzung beispielsweise, die in früheren Geschichten von Barks eher randläufig angesprochen wurde, steht in vielen seiner "Fieselschweif"-Geschichten im Mittelpunkt, was wahrscheinlich in erster Linie daran liegt, daß sich diese Thematik für eine Pfadfinder-Serie eben anbietet. Hinzu kommt als Zeitgeist-Element das Erstarken der Ökologiebewegungen in den siebziger Jahren. Außerdem war Barks, der gerade anfing, mit seinen Ölbildern Geld zu verdienen, mittlerweile weniger abhängig vom Willen des Redakteurs als früher, was auch dazu beigetragen haben kann, daß er nun Themen behandeln konnte, die ihm selbst am Herzen lagen. Dennoch kam es auch jetzt noch vor, daß er auf redaktionelle Anweisung Geschichten abänderte. In "Das Ungeheuer vom Schwefelsee" etwa, so kann man einer Anmerkung des Vorworts entnehmen, wurde Barks von seinem Redakteur dazu angehalten, das Ende abzumildern. "Die Redaktion massakrierte mein Ende und dadurch löst sich alles in Wohlgefallen auf", kommentierte Carl Barks dies in einem Brief. Trotz dieser Eingriffe sind die "Fähnlein Fieselschweif"-Geschichten für Disney-Verhältnisse ungewöhnlich realitätsnah und zeigen, daß man auch in einem "lustigen" Comic seinen Sorgen und Befürchtungen Ausdruck verleihen kann.

Das erste "Fähnlein Fieselschweif"-Special enthält neben der eingangs kurz beschriebenen Geschichte "Das Fähnlein Fieselschweif bannt die Gefahr für den Bärenforst" noch drei weitere Pfadfinder-Episoden aus den Jahren 1970 und 1971 ("Lebensretter", "Walverwandschaft" und "Kostbare Knochen"), die Vorzeichnungen von drei dieser Geschichten sowie das schon erwähnte Vorwort von Geoffrey Blum.

3. September 2007


Barks Library Special - Fähnlein Fieselschweif (1)
Carl Barks (Vorzeichnungen), John Carey, Tony Strobl (Tusche)
Ehapa Verlag, Stuttgart, Oktober 2001
48 S., Softcover, farbig
ISBN 3-7704-2041-1