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ANTIQUARIAT/029: "Little Lit" - Märchen und Sagen neu interpretiert


Art Spiegelman, Françoise Mouly (Herausgeber)


"Little Lit"

Märchen und Sagen neu interpretiert



"Neues Terrain" wollte man bei Carlsen erobern und stellte im Winterprogramm 2001/2002 neben Klassikern und bekannten Programmschwerpunkten wie Manga, Fantasy und Fun auch mehrere ausgefallenere Titel vor, die das Comic-Spektrum um interessante Facetten erweitern sollten. Einer davon ist das Album "Little Lit - Märchen und Sagen" das der amerikanische Autor und Pulitzer- Preisträger Art Spiegelman ("Maus") in Zusammenarbeit mit seiner Frau Françoise Mouly zusammengestellt hat. Der 64seitige Hardcover-Band wurde bereits im Rahmen der Frankfurter Buchmesse präsentiert und erschien offiziell Anfang November 2001.

In erfrischender Vielfalt von Zeichen- und Erzählstilen präsentieren namhafte Kinderbuchillustratoren und Comiczeichner aus aller Welt in diesem Band Comic-Adaptionen und -Interpretationen von bekannten und weniger bekannten Märchen und Sagen aus aller Welt. Dazu kommen eine Reihe von Rätseln und Spielen.

Eröffnet wird "Little Lit" von Art Spiegelman mit seiner Interpretation des Volksmärchens "Der Gockelprinz", einer alten hassidischen Parabel, die von einem Königssohn erzählt, der meint, ein Gockel zu sein und fortan nur noch nackt und gackernd unter dem Tisch hockt. Ärzte und Wunderheiler finden keinen Zugang zu dem jungen Mann und können daher auch nichts ausrichten. Eines Tages - der Vater hat schon längst die Hoffnung aufgegeben - erscheint ein alter Mann vor dem Palast. "Wenn man jemanden aus dem Dreck ziehen will, muß man sich manchmal die Füße schmutzig machen", sagt er, reißt sich die Kleider vom Leib und kriecht zu dem Prinzen unter den Tisch. "Wer bist DU denn", fragt dieser erstaunt. "Ein Gockel, genau wie du!", antwortet der Alte. Der Prinz ist froh, endlich Gesellschaft zu haben. Am nächsten Tag erteilt der alte Gockel dem jungen eine Lektion: "He! Was tust du da, Kamerad?", fragt der Prinz. "Ich hab einen Krampf, also strecke ich mich. Bloß weil man ein Gockel ist, braucht man nicht unterm Tisch zu leben. Probier's mal!" Als nächstes zeigt er ihm, daß man sich auch als Gockel durchaus anziehen kann, wenn man friert und gepflegt zu Mittag speisen kann, wenn man Hunger hat, kurz, man kann sich benehmen wie ein Mensch und trotzdem ein Gockel sein. Der alte König ist froh. Sein Sohn entwickelt sich zu einem stattlichen Mann und wird ein weiser König, auch wenn er manchmal, aber nur, wenn er ganz allein ist, die aufgehende Sonne ankräht ...

Die Liste der in diesem Band vertretenen Zeichner und Autoren ist illuster - da Spiegelman selbst zu den renommiertesten Vertretern seiner Zunft gehört, hatte er sicher keine Probleme, Mitstreiter für sein Projekt zu finden. So sind in diesem Märchenbuch, das Kinder wie Erwachsene gleichermaßen anspricht, unter anderem Lorenzo Mattotti, David Mazzuccelli, Charles Burns und Chris Ware vertreten. Der Kinderbuch- und Fernsehautor William Joyce erzählt, wie "Humpty Dumpty" eines Tages doch von der Mauer fällt, Kinderbuchautor David Macaulay ("Das Mammutbuch der Technik"), stellt in seinem ersten Comic eine neue Version von "Jack und die Wunderbohne" vor, Daniel Clowes setzte eine Fortsetzung von "Dornröschen" in Szene, Kaz erzählt mit der Geschichte vom "Hungrigen Gaul" die Abwandlung einer alten esthnischen Sage und, und, und, sogar eine Geschichte des 1973 verstorbenen Disney-Zeichners Walt Kelly, "Der Lebkuchenmann" aus dem Jahr 1943, fand Eingang in dieses Sammelsurium, in dem mit Sicherheit für jeden eine "Lieblingsgeschichte" dabei ist.

Ergänzt wird dieses orginelle Buch, nach dem es sich zu suchen lohnt, durch eine von Chris Ware gestaltete "Märchen-Rallye".


"Little Lit"
Märchen und Sagen
Herausgegeben von Art Spiegelman und Françoise Mouly
Carlsen Verlag, Hamburg, November 2001
64 S., Hardcover, farbig, 24 x 34 cm, mit ausklappbarem Vorsatz
ISBN 3-551-74999-X